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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Telephonapparaten zu tun, oder? Ich will mir nur einen Überblick verschaffen.«
    Â»Wenn Sie kommen zum Loch«, sagte Oborin, »bitte aufpassen und nicht hineinfallen.«
    Â»Wunderbarer Rat. Eine Frage noch, werden Sie es sein, der mich auf der Expedition begleitet?«
    Â»Das wäre nicht gut für Kopf von mir. Und nicht gut für Beine. Alte Beine. Nein, Spirou begleitet Sie. Und Tochter von mir. Braves Mädchen.«
    Â»Ach, die mit der Suppe.«
    Â»Noch froh Sie sein werden, daß es gibt Suppen von dieser Art«, prophezeite Oborin, in der Tat nun einen Satz im Yoda-Stil sprechend. Sodann drehte er sich wieder zu seiner Werkbank hin, wobei er diesmal beide Ohren mitnahm.
    Â»Kommen Sie bitte«, ersuchte Spirou Ivo. »Der Professor muß arbeiten. Und Sie müssen essen. Danach fahren wir zu Lopuchin. Er ist der Big Boss in unserer Stadt. Wir brauchen sein Zeichen.«
    Â»Was für ein Zeichen?«
    Â»Sie werden sehen.«
    Â»Ich würde es gerne vorher wissen.«
    Â»Besser nicht«, sagte Spirou. »Aber das Zeichen zu haben ist viel besser, als das Zeichen nicht zu haben.«
    Â»Trotzdem möchte ich gerne …«
    Â»Erst die Suppe«, sagte Spirou, wie man sagt: Man sollte sich zunächst einmal ein Pflaster besorgen, wenn man vorhat, sich das Knie aufzuschlagen.

9
    Galina stand noch immer am Herd und rührte in dem hohen emaillierten Topf. Es war somit weiterhin allein ihr Rücken zu sehen, ein massiver Rücken, wobei sie ein Kopftuch von derselben Farbe der Jacke trug. Ivo fühlte sich außerstande einzuschätzen, ob es sich um eine jüngere oder eine ältere, eine hübsche oder häßliche Frau handelte.
    Â»Bitte!« sagte Spirou und wies auf einen mit Packpapier ausgelegten Tisch neben dem Fenster. Ivo setzte sich und sah nach draußen. Die Dunkelheit des Abends legte sich über die Gegend. Schnee begann zu fallen, aber nicht wie in Warschau, aus dem Boden steigend, sondern aus ebendieser abendlichen Dunkelheit hervorkeimend, so, als bestehe die Luft aus vielen kleinen Eiern, die nun in rascher Folge aufbrachen, und ein jedes gab eine Flocke frei. (Man konnte also schwer sagen, ob das, was da in der Luft schwebte, jeweils eine Flocke oder eine Eierschale darstellte.)
    Während Ivo durch zwei Häuser hinüber auf die von engstehendem Treibeis beherrschte Lagune sah, stellte Spirou einen tiefen, weiten Teller mit Suppe vor Ivo auf den Tisch, holte sodann einen kleineren Teller für sich selbst und nahm seitlich von Ivo Platz.
    Â»Essen Sie, bitte!« sagte Spirou. »Und einen guten Appetit.«
    Ivo schaute hinunter auf die beigefarbene Brühe, in der verschiedene Dinge schwammen: Teile eines Fisches wohl, dazu Kartoffelstückchen, Kräuter, die trotz der eisigen Verhältnisse wie frisch geerntet wirkten, sowie mehrere Spalten eines getrockneten Pilzes, zudem Brocken von Brot. Wobei diese Verifizierung der »Gegenstände« ja nur eine Vermutung Ivos sein konnte, während sein Blick vom aufsteigenden Suppendampf getrübt wurde. Aus diesem Suppennebel hob er jetzt seinen Kopf und stabilisierte ihn in einer leichten Schräge, um aus dieser dekorativen Stellung heraus die Erzeugerin der Suppe zu betrachten. Sie hatte sich Ivo gegenüber gesetzt, jedoch ohne Teller, sondern mit einer Tasse Tee, deren emaillene Haut denselben dunkelgrünen Farbton besaß wie auch der Suppentopf, wie auch die Jacke Galinas und deren Kopftuch. Und weil ja nun die pinkfarbenen Strümpfe unter dem Tisch verborgen waren, fehlte die Ablenkung. Das Grün konnte wirken.
    Es war nun nicht exakt das gleiche Grün, das jene blutbefleckte Jacke besessen hatte, die Ivo vor zwanzig Jahren von einer Krankenbahre gezogen hatte und von dem gesagt worden war, es handle sich um das Grün einer depressiven Olive. Und trotzdem! Ivo empfand einen Stich. Der Pfeil in seiner Brust bewegte sich. Auch wirkte das Gift auf der Spitze des Pfeils jetzt stärker als üblich.
    Er beugte sich ein wenig in Richtung der Köchin und fragte sie (überzeugt, daß, wenn Oborin des Deutschen mächtig sei, es auch seine Tochter sein müßte): »Können Sie mir verraten, wieso Sie Ihre eigene Suppe nicht essen?«
    Â»Sie kann Sie nicht verstehen. Galina ist taubstumm«, erklärte Spirou, obgleich er dachte, Ivo wüßte das doch bereits. Und fügte an: »Und wenn sie von den Lippen lesen soll, dann

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