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Die halbe Sonne

Die halbe Sonne

Titel: Die halbe Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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Falcon in sein Heimatdorf zurückkehrt? Oder als er nach einem halben Leben im Ausland die Lippen auf den heißen Asphalt der Landebahn presst?
    Der Sohn hat keine Ahnung, wie er mit den unsichtbaren Vorgängen im Vater umgehen soll. Schließlich stellt er sie sich wie Tropfen vor, die auf Papier fallen, es allmählich aufweichen.

In der nordschwedischen Poliklinik

    Als der Vater einsieht, was seine Frau längst weiß – griechische Löhne decken keine schwedischen Lebensgewohnheiten –, zeigt er sich willens, die Hilfe seiner Kinder anzunehmen. Er begreift jedoch, dass Studienkredite nicht ewig reichen werden, und setzt sich mit früheren Kollegen in Verbindung. Schließlich lässt er sich vom Dienst befreien, um eine Aushilfsstelle in jenem Land anzunehmen, von dem er glaubte, er hätte es verlassen. Und so verbringen er und seine Gattin einen Sommer in einer nordschwedischen Poliklinik.
    Während der Vater Diagnosen stellt, nimmt die Mutter Anrufe entgegen. Während er Medikamente verschreibt, leert sie Bettpfannen. Und wenn er von Kollegen aus dem Heimatland angerufen wird, stellt sie das Radio an. Ein solches Leben schätzt die Mutter nicht sonderlich. Sie denkt an die Tochter, die sie auf Kreta zurückgelassen haben. Sie sorgt sich um das Sommerhaus, das verfällt, und den Garten, der verwildert. Dennoch sieht sie keine Alternative. Und im übrigen freut sie sich darüber, selber Geld zu verdienen. Eins muss ihrem Gatten jedoch klar sein: Von nun an hat er auf sie zu hören. Der Vater wird erstaunlich kleinlaut. Als sie die Koffer wieder packen, einigen sie sich darauf, den Aufenthalt aus ihrem Gedächtnis zu verbannen.
    Nur ein Schneidebrett erinnert an diese Zeit. Wenn die Mutter das Essen vorbereitet, wird sie jedes Mal von ihren früheren Arbeitskollegen in der Verbannung gegrüßt. In eine Ecke des Bretts hat jemand mit einem Lötkolben eingebrannt: Grüße von uns in Hagfors.

Gelehrte Korrespondenz

    Der Stolz des Vaters, als er die Adresse auf den Brief an seinen Sohn schreibt, der im Ausland studiert, übertrifft fast alles. Er hat genaue Instruktionen bekommen und buchstabiert akribisch: À monsieur . Als er den Namen geschrieben hat, kann er sich jedoch nicht mehr zurückhalten, sondern zeichnet einen Pfeil zwischen Anrede und Name, um zu ergänzen: cand. phil.

Fünfakter mit Replik

    DER FÜNFUNDZWANZIGJÄHRIGE (ein Sohn) verbringt mit der SCHWESTER (eine Schwester) einen Monat auf Kreta. Er hat gerade ein Jahr in Paris studiert, sein Kopf ist voller Abstraktionen. Nach ein paar Tagen trifft er DIE NEUROLOGIN (eine Neurologin) und DEN MIKROBIOLOGEN (einen Mikrobiologen). Sonstige Personen: DIE MUTTER (eine Mutter), DER VATER (ein Vater). Beide abwesend.
    Prolog . DIE NEUROLOGIN spricht mit spürbarer Wärme über DEN VATER , der den Sommer in Nordschweden verbringt. Sie sagt zudem Dinge, die DEN FÜNFUNDZWANZIGJÄHRIGEN erkennen lassen, dass er selbst Gesprächsthema gewesen ist. Dinge, die Sprache und Erfahrungen der zweiten Generation betreffen. DER FÜNFUNDZWANZIGJÄHRIGE fühlt sich sowohl geschmeichelt als auch auf unerklärliche Weise bedroht.
    Erster Akt . Gemeinsam fahren DIE NEUROLOGIN und DER FÜNFUNDZWANZIGJÄHRIGE in einem alten Toyota auf der Insel herum – besuchen Bergdörfer, baden, rauchen, trinken Mojitos. Und unterhalten sich ununterbrochen in einer Weise, die das Herz leicht wie eine Feder, reif wie eine Feige werden lässt. DER FÜNFUNDZWANZIGJÄHRIGE fühlt sich von Eindrücken berauscht, von Gedanken aufgewühlt. Er ahnt, dass es ein Wissen jenseits der Worte gibt.
    Zweiter Akt . Nach einer Woche fragt sich DER FÜNFUNDZWANZIGJÄHRIGE , ob DIE NEUROLOGIN vielleicht doch mit ihm flirtet. Ihre Aufmerksamkeit ist mehr als Interesse, aber doch sicher weniger als Begierde? Er gewinnt den Eindruck, dass sie an etwas heranzukommen versucht, was nicht zu ihm gehört. Er vertraut sich niemandem an. Er beschließt, sich der Situation gewachsen zu zeigen.
    Dritter Akt . DER FÜNFUNDZWANZIGJÄHRIGE tut, was er kann, damit sich der mikrobiologe nicht ausgeschlossen fühlt. Er besucht die Freunde nur, wenn beide zu Hause sind, oder, falls das nicht geht, in Gesellschaft DER SCHWESTER . Dennoch findet DIE NEUROLOGIN Wege, ihn zu treffen, wenn DER MIKROBIOLOGE im Labor ist oder DIE SCHWESTER sich mit anderen Freunden trifft. Eines Tages will sie ihm ein Buch zeigen, das ihr zufolge DEM VATER viel bedeutet – aber es kann nur an einem besonderen Ort auf der Insel gelesen werden. Als sie

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