Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)
sagen? Ich bin dankbar dafür.“
„Ich auch“, echote Lars.
Hans nickte nur und behielt sein Lächeln bei. „Mir fällt auch auf, dass hier keine Boote am Rand des Kanals liegen. Das wird seinen Grund haben. Wir sehen zu, dass wir uns von diesem Viertel wieder entfernen.“
Über die Schulter warf Lars noch schnell einen Blick auf das dunkle und wesentlich ärmlichere Viertel der Wasserstadt, während er Mike und Hans in den hellen und lärmenden Teil zurück folgte. Mörderische Geister in den Kanälen, unheimliche und abgewrackte Gestalten in der Nachbarschaft und jederzeit kann hier alles einstürzen, dachte er. Was kommt als Nächstes?
Alle fühlten sich etwas wohler, als sie wieder mitten in dem Viertel waren, wo scheinbar die Glücklichen von Wasserstadt lebten. Dennoch gingen den Abenteurern der überfröhliche Lärm, die Musik und das ausgelassene Treiben schon längst auf die Nerven. Hans blieb plötzlich stehen und zeigte mit dem Finger auf etwas, das sich ungefähr hundert Meter vor ihnen befand. „Dort könnten wir an der richtigen Adresse sein.“
An einer Stelle, wo sich zwei Kanäle kreuzten, stand ein Turm im Wasser. Von einem Ufer spannte sich eine schmale Brücke zu diesem Bauwerk, dessen Tür verschlossen war. Die unteren Etagen waren nur spärlich beleuchtet, das Zimmer in der Spitze des Turmes war heller. Hans lächelte, und diesmal war das Lächeln echt und vor allem hoffnungsvoll.
„Das sieht doch ganz so aus, als wenn sich ein nüchterner und vernünftiger Mensch nach ganz oben in seinen Elfenbeinturm zurückgezogen hat, damit er von der lärmenden Menschheit möglichst weit entfernt ist. Dort klopfen wir an. Wir wollen mal versuchen, ob wir mit dem Gelehrten oder Einsiedler oder was auch immer er ist, Kontakt bekommen.“
Schon machte sich Hans daran, einen der Kanäle zu überqueren, um sich der Brücke zu nähern, die zum Fuß des Turmes führte. Dabei wich er elegant und geschmeidig einer angetrunkenen Dame aus, die ihm um den Hals fallen wollte. Mike ging der anlehnungsbedürftigen Frau genauso erfolgreich aus dem Weg, Lars hatte weniger Glück. Er wurde gegen seinen Willen geküsst und abgeknutscht. Mit Mühe befreite er sich von dem Wesen, das über so viele Arme wie ein Krake zu verfügen schien, dann wischte er sich angewidert den Mund und das Gesicht ab. Er beeilte sich, Hans und Mike zu folgen.
Die standen schon an der geschlossenen Tür des Turmes und klopften. Nichts schien sich im Inneren des Turmes zu rühren.
„Klarer Fall!“, kommentierte Mike das Geschehen. „Bei dem Krach hier hört uns keiner. Wir müssen lauter anklopfen, sonst stehen wir hier ewig und drei Tage.“ Und schon hob er die Faust und bollerte aus Leibeskräften an das Holz der Tür.
In diesem Augenblick bekamen die Abenteurer Gesellschaft. Zwei Paare, die schon reichlich Wein getrunken haben mussten, schaukelten ebenfalls über die Brücke, wobei sich ihre Oberkörper immer wieder bedenklich über die Geländer beugten.
„Sehr gute Idee!“, lobte der eine Mann mit schwerer Zunge, schwankte mit seiner Frau oder Freundin im Arm auf die Tür zu und klopfte mit einer geöffneten Weinflasche, deren Hals er umklammert hielt, leicht gegen das Holz. „Wir holen jetzt den Marchese, der hat nämlich schon lange nicht mehr mitgefeiert. Haha!“ Darauf lachte die Frau, die er im Arm hielt, schallend, schrill und lang anhaltend, als hätte ihr Begleiter einen sehr guten Witz erzählt.
Ausgerechnet nach diesem Versuch des Anklopfens wurde im Stockwerk über der Tür ein Fenster geöffnet. Ein Mann mit einer weißen Lockenperücke sah heraus. „Zum letzten Mal“, brüllte er ungehalten. „Der Marchese feiert nicht, der Marchese will mit diesem lasterhaften Treiben nichts zu tun haben.“
Die beiden Männer und Frauen winkten nach oben und schrieen: „Na komm schon, stell dich nicht so an. Kommt alle runter auf die Straße und sauft mit uns.“
Hans machte erst gar nicht den Versuch, das trunkene Geschrei der vier Menschen zu übertönen; das konnte bei dem Mann im oberen Stockwerk keinen vernünftigen Eindruck hinterlassen. Schweren Herzens mussten die Abenteurer mit ansehen, wie der Perückenträger mit verächtlicher Miene das Fenster wieder schloss. Die beiden Paare waren davon erneut belustigt, die Frauen kreischten, die Männer gröhlten, die Abenteurer wünschten die vier Krawallmacher auf den Mond.
„Was soll denn daran so witzig sein, verdammt noch mal? Die haben uns um die Chance
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