Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)
gebracht, mit dem Mann im Turm zu reden!“, erkannte Mike ganz richtig. „Dem Markäse oder wie der Typ heißt!“
„Es heißt Marchese und das bedeutet Graf“, korrigierte Lars mit genervter Stimme. Hans schwieg und wartete, dass die beiden Paare wieder von dannen schwanken würden. Die dachten jedoch vorläufig nicht daran.
„Dann kommt ihr jetzt wenigstens mit und feiert mit uns!“ Der eine Mann hielt seine Weinflasche so hoch wie er nur konnte. „Es lebe der Wein! Viva!“
In diesem Augenblick zerbarst die Flasche. Der Rotwein ergoss sich über den Mann, der nur noch den Flaschenhals in der Hand hielt, einen Moment blöde darauf stierte und dann das scharfkantige Überbleibsel aus dem Handgelenk in den Kanal warf. Seine drei Begleiter bogen sich vor Lachen und schienen jeden Moment über die Brüstung der Brücke in den Kanal zu fallen.
Mike sah sich rasch um, denn er fragte sich, wie die Weinflasche kaputt gegangen sein konnte. Da sah er auf dem Gehsteig einen Jungen von vielleicht sechs oder sieben Jahren, der eine Schleuder in der Hand hielt und dem Trunkenbold eine lange Nase drehte. Mike stuppste den Betrunkenen an und zeigte auf den Jungen auf dem Gehsteig. „Das war der da!“
Der vom Wein Beträufelte schwang kraftlos eine Faust und glotzte auf den Jungen. „Du Bauselengel … Nein, du Brauseengel … Nein, auch nicht, na jedenfalls du kleiner … Ha, jetzt habe ich´s: Du Lausebengel, das wird dir noch leidtun. Na, warte!“
Das Quartett setzte sich wieder in Richtung Kanalufer in Bewegung, Hans, Lars und Mike waren offensichtlich schon vergessen. Der kleine Junge mit der Schleuder verschwand in der Menge. Hans wartete noch, bis die Betrunkenen von der Brücke waren, dann klopfte er ein weiteres Mal gegen die Tür. Sofort öffnete sich wieder das Fenster und der Mann mit der weißen Perücke erschien. Lars registrierte blitzartig, was dieser in der Hand hielt. „Volle Deckung!“, brüllte er. Jeder versuchte dem Inhalt des Kammertopfes auszuweichen, den der Perückenträger mit Schwung nach unten ausleerte. Wie durch ein Wunder ging der Segen an den drei Abenteurern vorbei. Oben wurde mit lautem Krach das Fenster zugeworfen.
„Lasst mich die Brücke überqueren und das Kanalufer betreten, bevor ihr noch einmal klopft“, sagte Lars und machte sich schon auf den Weg. Hans und Mike folgten ihm.
„Das hat heute ja wohl keinen Zweck mehr“, brummte Hans.
So fanden sich die drei im Trubel und Lärm wieder. Langsam fiel es selbst Hans schwer, ein Lächeln zu zeigen. Sie waren noch nicht weit vom Turm des Marchese entfernt, da plötzlich erstarrte die Schar der Feiernden. Jede Bewegung endete abrupt, als seien alle Menschen im Bruchteil einer Sekunde zu Eis gefroren. Eine Kirchturmuhr schlug, der Klang der Glocke tönte über das Geschrei und Gejohle und die Musik hinweg. Der Lärm der Feiernden erlosch innerhalb von zwei Sekunden. Einige Augenblicke schien alles stillzustehen, die Männer und Frauen starrten sich wortlos und erschrocken an, während der Klang der Glocken durch die nächtliche Dunkelheit wehte. Dann bewegten sich alle eilig davon. Männer und Frauen, Betrunkene und halbwegs Nüchterne, Musiker und Tänzer, alles schwankte und hetzte über die Gehsteige und strebte offensichtlich nach Hause. In den Türen der nahe gelegenen Häuser verschwanden Menschen, dann wurden die Türen polternd zugeworfen. Lars und Mike sahen verblüfft zu, Hans schien bereits zu ahnen, was nun folgen sollte.
„Wo rennen die denn alle plötzlich hin?“, fragte Mike verdattert.
„Die Geisterstunde beginnt“, sagte eine dünne, etwas piepsige Stimme neben ihnen.
Mike, Lars und Hans staunten den kleinen Jungen mit der Schleuder an, der wie aus dem Boden gewachsen neben ihnen aufgetaucht war. „Ich bin Pietrino“, stellte er sich vor.
Im Turm des alten Marchese
„Ihr dürft nicht länger hier bleiben“, sagte das kleine Kerlchen mit seiner hohen Piepsstimme. Seine Kleidung war einigermaßen sauber, aber sehr schlicht und einfach. Schwarze Locken krönten seinen Kopf. Auf seinem Gesicht lag mit Sicherheit die meiste Zeit das Grinsen eines Spitzbuben, aber im Augenblick war der Kleine offensichtlich besorgt.
Die Gehsteige wurden schnell menschenleer, innerhalb kurzer Zeit waren nur noch wenige Gestalten zu sehen, und selbst die schienen es eilig zu haben sich zu entfernen.
Hans beugte sich mit einem freundlichen Lächeln zu Pietrino und gab sich dabei alle Mühe, den Jungen, aus
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