Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)
kommen.
Jonathan blieb am Rand der Tanzfläche stehen und bedeutete seinen Gefährten, sich um ihn zu scharen. „Tja, wir haben ein Problem“, sagte er nachdenklich. „Wir werden tatsächlich über Nacht hier bleiben müssen. Und da scheinbar keiner ein Bett für uns hat, bleibt uns nichts anderes übrig, als an Bord meines Schiffes zu schlafen. Das wird eng werden, um es gelinde auszudrücken.“
Wie üblich war Hans nicht zu erschüttern. „Das wird schon irgendwie gehen. Ich mache mir mehr Gedanken darüber, wie wir etwas von den Köstlichkeiten bekommen können, die die hiesige Kaufmannsgilde bezahlt.“
„Auf der anderen Seite der Tanzfläche sitzen die Leute aus Unterstadt“, sagte Jonathan. „Vielleicht finden wir da ein Plätzchen.“
Also setzten sich die Gefährten erneut in Bewegung. Als sie sich zwischen den armen Leuten aufhielten, mussten sie schnell erkennen, dass auch hier jeder Platz belegt war. Allerdings hätten sich Lars und Mike auch nicht so gern hierher setzen wollen, denn die Atmosphäre war eine völlig andere als auf der Seite der Reichen. Bei denen war fröhlich gelacht und gelärmt worden; die Armen aus Unterstadt waren ziemlich still. Hier gab es auch keine Sessel und Polsterstühle, sondern nur Holzbänke, auf denen die Menschen dicht gedrängt saßen. Auch die Speisen und Getränke waren offensichtlich von anderer Qualität. Die Braten und Weine der Reichen suchte man hier vergebens; dunkles Brot, Speck und ein paar Würste waren auf den Tischen, in den Krügen schien sich ein dünnes, wässriges Bier zu befinden. Dennoch langten die dürren, ausgemergelten Gestalten in der meist geflickten Kleidung mit mehr Appetit zu als die Reichen aus Oberstadt. Ein Lächeln war nur selten zu sehen, meistens waren die Mienen der Männer, Frauen und Kinder düster und verschlossen.
Pietrino begann langsam vor Hunger zu quengeln, Salvatore versuchte ihn zu trösten, obwohl auch sein Magen mehr krachte als knurrte. Hans und Lars begannen sich schon etwas schwach auf den Beinen zu fühlen. Plötzlich wurde Mike sehr aufgeregt.
„Seht doch!“, flüsterte er den anderen zu. „Da in der Ecke ist ein großer Tisch. Und da sitzt nur ein einziger Mann. Da hätten wir alle bequem Platz. Wollen wir nicht hingehen?“
Sofort suchten fünf weitere Augenpaare die Umgebung nach dem geschilderten Tisch ab, den es eigentlich gar nicht geben konnte. Doch tatsächlich!
Ein einzelner Mann saß dort, wo leicht noch einige Leute mehr Platz gefunden hätten. Aber er war nur auf den ersten Blick allein. Auf den zweiten Blick fielen die vier großen Hunde auf, die unter dem Tisch zu Füßen des Mannes lagen. Diese Tiere waren schlank, hatten spitze Ohren und dunkles, kurzes Fell. Die offen stehenden Mäuler zeigten fürchterlich lange und gefährlich aussehende Zähne, zwischen denen hechelnd der Atem ein- und ausging. Die Hunde vermittelten den Eindruck absoluter Wachsamkeit, als warteten sie nur auf eine Gelegenheit, sich auf eine Beute zu stürzen, die sich irgendwo hier auf dem Platz befinden mochte. Jeder der Gefährten hätte sich auch nur von einem einzigen dieser Höllenhunde bedroht gefühlt.
Der Herr dieser Untiere war ebenfalls eine düstere Erscheinung. Sein Gesicht verbarg sich unter einem schwarzen Hut mit breitem Rand. Auch seine übrige Kleidung, Stiefel, Hose, Weste, Umhang, war von tiefschwarzer Farbe. Die Hände, die um ein Weinglas auf dem Tisch lagen, steckten in schwarzen Stulpenhandschuhen. Der Mann schien in Gedanken versunken auf die Tischplatte und den darauf liegenden schwarzen Spazierstock mit Silberknauf zu starren.
„Ausgerechnet vier Hunde“, flüsterte Lars so leise, dass nur Hans und Mike es hörten. „Warum ausgerechnet vier?“
„Was hast du gegen die Anzahl der Hunde einzuwenden?“, fragte Hans ebenso leise zurück.
„In einigen ostasiatischen Sprachen ist die Vier das Symbol für den Tod“, murmelte Lars bedrückt. Aber auch er ging mit den anderen langsam auf den Tisch zu.
Als erstes wurden die Hunde auf die Gefährten aufmerksam. Alle spitzten die Ohren, hoben die Köpfe höher und sahen den sechs Menschen entgegen, die sich dem Tisch des Mannes in Schwarz zögernd und mit einer gewissen Vorsicht näherten. Als einer der Hunde bedrohlich zu knurren begann, schien der in Schwarz Gewandete aus seinen Grübeleien zu erwachen und sah auf. Seine Augenpartie wurde immer noch vom Hut beschattet, aber ein Gesicht mit einem kräftigen Kinn, einem breiten Mund mit
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