Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)
schmalen Lippen, einem bleistiftdünnen Schnurrbart und tiefen Zügen um die Mundwinkel herum tauchte auf. Aus dem Schatten der Hutkrempe leuchtete den Gefährten das Weiß der Augen entgegen. Der Mann in Schwarz musterte die Leute, die ihm gegenüber standen, einen Augenblick, dann versetzte er mit der Stiefelspitze dem knurrenden Untier einen leichten Tritt, das darauf sofort verstummte.
„Warum starrt ihr mich so an?“ Die Stimme des Mannes in Schwarz war dunkel und leicht heiser. Sein Tonfall war unfreundlich. „Wollt ihr etwas von mir?“
Jonathan öffnete den Mund, aber statt einer Antwort hörte man nur ein trockenes Schlucken. Sofort sprang Hans ein und sagte freundlich: „Wir sind fremd hier in der Stadt und wollten fragen, ob wir uns vielleicht an Euren Tisch setzen dürfen. Wir möchten uns zwar niemandem aufdrängen, aber es ist nirgends sonst Platz und wir sind sehr hungrig.“
Nun hob der Schwarzgewandete den Kopf so weit an, dass der Schatten der Hutkrempe fast ganz verschwand. Ein Ausdruck des Erstaunens trat auf seine Züge. Das Staunen wurde von einem Lächeln verdrängt, das aber nicht etwa herzlich und freundlich wirkte, sondern vielmehr bitter, spöttisch und verhärmt.
„Was habt Ihr gerade gesagt?“, fragte er. „Ihr wollt Euch allen Ernstes zu mir setzen?“
Hans zögerte nur kurz, dann sagte er: „Ja, wenn wir Euch nicht stören?!“
Da legte der Mann den Kopf in den Nacken und begann schallend zu lachen. Die Hunde schienen die Erheiterung ihres Herrn zu teilen und zu grinsen, denn es kam den Gefährten so vor, als würden sie noch mehr Zähne zeigen als schon zuvor. Lars warf einen Blick aus den Augenwinkeln auf die nächstgelegenen Tische und registrierte, dass die dort sitzenden Leute aus Unterstadt kurz zum Tisch des Schwarzgewandeten hinüber sahen, die Köpfe aber sofort wieder weg drehten. Warum taten sie das? Und wieso saß dieser düstere Mann mit seiner Hundemeute hier allein?
„Ihr müsst tatsächlich fremd hier sein“, sagte der Mann am Tisch schließlich, erhob sich und wies mit einladender Geste auf die freien Stühle. „Ihr stört mich keineswegs. Ich fühle mich geehrt, dass Ihr mir Gesellschaft leistet.“ Und er deutete wie ein wohlerzogener Edelmann eine Verbeugung an.
Als nun die Gefährten zögernd noch näher traten, begannen die Tiere unter dem Tisch erneut zu knurren, und diesmal war es lauter und aggressiver. Das ohnehin nicht sehr freundliche und humorvolle Lächeln des Mannes in Schwarz war wie weggewischt. Er teilte erneut Tritte aus, diesmal nachdrücklicher. „Lilith, Belzebub, Fenrir, Luzifer, still! Sofort! Hier herüber, los!“
Damit packte er die Hunde an ihren Halsbändern oder wo er sie gerade zu fassen bekam und zerrte sie vom Tisch weg und weiter in die Ecke hinein. Erneut erschien das bittere und harte Grinsen. „So, bitte sehr. Nehmt Platz.“
Die Gefährten ließen sich auf den Stühlen nieder. Es blieb immer noch einer frei. Auf diesen Stuhl legte der Schwarzgewandete seinen Stock. Lars konnte soeben noch erkennen, dass der silberne Knauf wie ein Totenkopf gestaltet war. Die Gefährten ließen ihre Blicke zwischen ihrem Gastgeber und seinen Untieren pendeln. Jeder fragte sich, wer wohl unheimlicher war, der Mann oder seine Hunde. Ersterer musterte seine Gäste neugierig und ohne jede Scheu. Eine Spur des spöttischen Lächelns lag immer noch auf seinen Zügen.
„Ihr müsst tatsächlich fremd hier sein“, wiederholte er seine Aussage.
„Ja, das seht Ihr an unserer Kleidung, nicht wahr?“, sagte Mike, der seine Unsicherheit überspielen wollte, indem er so tat, als könne er mit dem Schwarzgewandeten völlig zwanglos plaudern. Darauf sandte ihm der Gastgeber einen langen Blick und schwieg. Das Lächeln schien höhnisch zu werden. Keine zwei Sekunden hielt Mike diesem Blick stand, dann sah er auf die Tischplatte und wünschte, er hätte den Mund gehalten.
„Deine Kleidung, die des Jungen in deinem Alter und die des Herrn mit den grauen Haaren sind allerdings fremdartig für mich“, sagte er schließlich mit einer Stimme, die kalt wie Eis klang. „Der Herr im weißen Kittel sieht auch ein wenig ungewöhnlich aus. Die Kleidung der anderen beiden passt durchaus hierher. Nein, du vorlautes Bürschlein, die Tatsache, dass ihr euch an meinen Tisch setzt, weist euch als Fremde aus.“
Er griff in seine Weste, holte ein paar Goldmünzen hervor und ließ sie auf die Tischplatte springen. Dann schnippte er mit den Fingern, worauf
Weitere Kostenlose Bücher