Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)
am Tisch so ihre kleinen Probleme hat!“
Sofort fühlte sich Mike angesprochen. Lars spürte, dass das Interesse des Freundes durch diese plumpe Schmeichelei geweckt worden war, außerdem wusste er, dass Mike eine besondere Vorliebe für Kartenspiele hatte. Er fasste ihn am Arm und raunte: „Tu jetzt bloß nichts Unüberlegtes! Diese ganze Halle hier besteht nur aus Fallen und Bosheiten.“
„Ist schon klar, Mann“, gab Mike lauter zurück, als es Lars Recht war. „Lass uns nur mal gucken, was die hier zocken.“ Und mit diesen Worten löste er seinen Arm aus dem Griff des Freundes und trat näher an den Tisch. Lars sah keine andere Möglichkeit, als dem Freund zu folgen, wenn er Dummheiten verhindern wollte.
Am Tisch stehend musste Mike tief Luft holen. Was da auf dem Tisch lag und glänzte waren offensichtlich Goldmünzen. Goldmünzen! Was mochten die wert sein? Und ob es wohl möglich war, davon ein paar abzustauben? Da er in seiner Schulklasse der konkurrenzlos beste Kartenspieler war, versuchte er bereits seine Chancen zu taxieren.
Lars blieb das unheilvolle Interesse des Freundes nicht verborgen. „Mike, lass dich auf nichts ein. Bei uns zu Hause magst du der ungekrönte König der Spieler sein, aber hier haben sie garantiert andere Regeln. Setz dich erst gar nicht an den Tisch, ich flehe dich an.“
Der Mann mit dem Schnurrbart raffte einen guten Teil der Münzen zusammen und türmte ihn vor sich auf. Er bemerkte sehr wohl Mikes Blicke, lächelte dem Jungen freundlich zu und sagte wohlwollend: „Jungen Leuten sollte man ein gewisses Startkapital geben. Wenn ihr spielen wollt, braucht ihr natürlich Gold, das ihr einsetzen könnt. Ich habe gerade eine schöne Glückssträhne gehabt und der Dame hier eine nette Summe abgenommen. Na ja, sie ist reich, sie kann es vertragen.“
Mike musterte die Frau am Tisch. Puppengesicht, dachte er, hübsch, aber dumm. Würde mir bestimmt nicht das Wasser reichen können. Ich hab noch jeden in der Klasse besiegt, egal ob Skat, Poker oder Siebzehn-und-Vier. „Was wird denn gespielt?“, fragte er.
Bevor der Mann antworten konnte, sagte die Frau mit mädchenhaft heller, aber tonloser Stimme: „Draw-Poker. Einsätze unlimitiert. Drei Joker im Kartenpack, daher fünfundfünzig Karten.“
„Na großartig!“, flüsterte Lars seinem Freund zu. „Die hat das absolute Pokerface. Bei der wirst du nie raten, ob sie blufft oder wirklich gute Karten hat. Mike, bleib von diesem Tisch weg. Lass uns abhauen.“
Der Mann nickte und lächelte Lars wie verständnisvoll zu, dann sagte er zu Mike: „Wer selbst Glück hatte, sollte auch anderen etwas gönnen. Gib, so wird dir gegeben! Wo hab ich bloß diesen Spruch schon mal gehört? Wie auch immer, ich lasse dir von meinem Gewinn dreißig Goldstücke hier liegen. Also, wie sieht es aus? Willst du einsteigen?“
Dreißig Goldstücke als Geschenk! Mike riss die Augen auf. Und die Chance, weiteres Gold hinzu zu gewinnen! Und im Gegensatz zum Reichtum des Henkers war es kein Gold, das mit Blut verdient war.
„Wenn das so eine tolle Pokerrunde ist, warum wollen Sie dann aufhören?“, fragte Lars misstrauisch. „Spielen Sie doch weiter und machen Sie die Dame bankrott!“
Das Lächeln des Mannes blieb stabil. Freundlich sagte er: „Man soll sein Glück nicht überstrapazieren. Ich habe gewonnen, nun mache ich den Platz frei für den nächsten Spieler.“ Und er lächelte Mike aufmunternd an.
Mike sah auf die Goldstücke, die auf dem Tisch lagen. Der Schnurrbärtige schaufelte sie in die Taschen seiner Weste, dreißig Stück ließ er liegen, in sechs Türmchen zu je fünf Münzen. Dreißig Goldstücke, die er vermehren könnte! Noch ein Blick auf das Puppengesicht: Gelangweilt, dumm und uninteressiert wechselte ihr Blick zwischen Mike und dem Mann am Tisch, den anderen Jungen ignorierte sie.
„Mike!“, flehte Lars. „Das hier ist die Halle des Lugs und des Trugs. Und außerdem, wieso ausgerechnet dreißig Goldstücke? Weißt du noch, dass Jesus Christus für dreißig Silberlinge verraten wurde? Mike, tu es nicht, du rennst in dein Unheil.“
Der Schnurrbärtige sagte leichthin: „Du kannst ja, wenn du Pech haben solltest, einfach aufhören. Wenn die dreißig Goldstücke weg sind, steh auf und geh deiner Wege!“ Und mit einer wegwerfenden Handbewegung unterstrich er seine Argumentation.
Lars knirschte mit den Zähnen. „Mike, das ist eine Falle! Mike, nein!“
Mike war hin und her gerissen. Dreißig Goldstücke lagen
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