Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)
auf dem Tisch! Die ihm gehören würden, und vielleicht noch mehr als die! Das puppenhafte Dummchen mit dem weißen Gesicht hatte bestimmt drei- oder vierhundert Goldmünzen vor sich aufgetürmt. Mike kam zu einer Entscheidung. „Okay! Ich würde gerne spielen!“
Da begann der Mann schallend zu lachen und erhob sich. Er klopfte Mike gönnerhaft auf die Schulter und drückte den Jungen auf den Stuhl nieder. „Der Rollentausch ist vollzogen“, sagte er zufrieden und atmete tief durch. Lars legte die Hand auf die Augen und murmelte: „Das darf nicht wahr sein! Mike, du Idiot!“
Mike begann sich sofort zu verteidigen. „Hör zu, Lars, das ist alles halb so wild. Ich hab mir schon etwas dabei gedacht, das kannst du mir glauben. Ich versuche jetzt mein Glück, höre aber sofort auf, wenn ich fünf Goldmünzen verloren habe. Die restlichen fünfundzwanzig gehören dann uns. Damit gehen wir einfach weg. Hast du mal daran gedacht, dass unsere Eltern noch ziemlich viele Schulden vom Hausbau haben dürften? Vielleicht sind diese Dinger“ – er zeigte auf die Münzen vor sich – „bei uns zu Hause ein Vermögen wert. Und hast du mal daran gedacht, dass wir, wenn wir erst zu Hause sind, keine Fahrräder mehr haben? Die sind in der Welt geblieben, wo Hans Lubronski schon tot ist.“
Der Mann mit dem Schnurrbart hatte lächelnd zugehört, nun legte er den Kopf in den Nacken und lachte so dröhnend, dass es in dem Raum widerhallte. „Junge, ich muss zugeben, dass ich nicht so ganz ehrlich zu dir war. Man könnte auch sagen, dass ich dich wissentlich angelogen habe. Wenn du dich erstmal an diesen Tisch gesetzt hast, kannst du nur unter zwei Bedingungen wieder aufstehen. Die eine Möglichkeit ist, dass du sowohl dein Startkapital verdoppelst und gleichzeitig jemand anders deinen Platz am Spieltisch einnimmt. Ich habe eine halbe Ewigkeit gegen diesen Dämon mit Engelsgesicht gespielt und endlich genug gewonnen. Jetzt fehlte mir nur noch ein Schwachkopf, der dumm genug wäre, sich freiwillig auf diesen verdammten Stuhl zu setzen. Die dreißig Goldstücke wirst du schneller los sein, als du zusehen kannst, mein Lieber. Viel Glück!“
Während er die Worte des Mannes vernahm war Mike weiß wie eine frisch gestrichene Wand geworden. Entsetzt starrte er in das Gesicht des Kerls, der ihn so schändlich betrogen hatte. Der Schnurrbärtige ging Richtung Drehtür, doch bevor er sie erreichte, wandte er sich noch einmal zu Mike und Lars um. „Ach ja: Spielregel zur Freiheit Nummer zwei: Du kommst auf jeden Fall frei, wenn Du ihr das letzte Goldstück abnimmst. Dann kommst du selbst frei und auch diese ganzen traurigen Gestalten, die hier an den Wänden sitzen. Das sind ihre Gefangenen, die ebenfalls einmal wie du glaubten, besser als sie spielen zu können. Nochmals: Viel Glück!“ Dann sagte er zu Lars: „Was dich angeht, so solltest du mehr Verstand beweisen als dieser Holzkopf dort. Verschwinde schnell, denn dein Freund ist verloren. Hau ab, bevor du es auch bist.“
Und er winkte Mike zu, lächelte fröhlich und höhnisch und verschwand in der Drehtür. Unfähig zu einer Regung oder einer Äußerung starrten sie ihm hinterher. Schon war er verschwunden.
„Wenn ich dem noch mal begegne, dann weiß ich nicht, was ich tun werde“, keuchte Mike, die Stimme heiser vor Wut.
Lars sagte mit zitternder Stimme: „Mike, vielleicht ist es noch nicht zu spät. Steh einfach auf und lass das verdammte Gold liegen.“
Mit tonloser Stimme antwortete Mike: „Es geht nicht. Ich habe es schon versucht. Meine Beine gehorchen mir nicht und mein Hintern fühlt sich an, als wäre er auf dem Stuhl fest genagelt. Lars, ich muss jetzt um mein Leben spielen.“
Lars begann leise zu weinen. Dann holte er sich einen freien Stuhl von der Wand und setzte sich neben seinen Freund. Er versuchte probehalber, ob er aufstehen könnte, wenn er es wollte. Es gelang ihm. „Himmel, Mike, was hast du nur getan?“, flüsterte er.
Für Mike begann nun das nervenaufreibendste Kartenspiel seines Lebens, insbesondere, als er beobachten musste, mit welcher Geschicklichkeit und Eleganz und in was für einem Tempo die Weißgesichtige den Kartenpack durchmischte. Ihm wurde endgültig klar, dass er nicht nur von dem Kerl mit dem Schnurrbart hinters Licht geführt worden war. Nein, er hatte auch den Fehler gemacht, die Kartenspielerin zu unterschätzen. Du bist ein Idiot, sagte er sich.
Die Frau legte die Karten auf den Tisch, ließ Mike abheben, dann legte sie
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