Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)

Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. H. T. Osenger
Vom Netzwerk:
meinen Damen lege, dann habe ich einen Fünfling. Der ist dann höher als deine vier Asse! Was sagst du nun?“
    Ein Ausdruck echter und grenzenloser Verblüffung trat auf die Züge der weißen Frau, die nun auf Mikes aufgedecktes Blatt starrte und den Blick nicht davon lösen konnte. Deshalb sah sie vermutlich nicht, was auf den Stühlen geschah, die entlang der Wände standen. Die bisher mehr oder weniger teilnahmslos dasitzenden Gestalten schienen aus einer langen Trance zu erwachen. Sie regten sich, sahen nun lebhaft und aufmerksam auf das Geschehen am Spieltisch.
    Nun endlich veränderten sich die Züge der Weißen. Ein Ausdruck maßloser Wut verzerrte das sonst so makellose Puppengesicht. Sie schlug mit ihrer kleinen Mädchenfaust auf den Tisch und kreischte: „Das gibt es nicht! Es gibt in den Spielregeln keinen Fünfling. Also kannst du auch nicht gewonnen haben. Das ist nicht fair!“
    „Unsere Wette war auch gegen die Spielregeln, dennoch hast du sie akzeptiert“, gab Mike zurück. „Also gilt auch mein Fünfling, und der ist höher als dein Blatt. Du hast verloren!“
    Nun mischte sich Lars ein. „Und einen Spieler gegen seinen Willen am Spieltisch festzuhalten ist auch gegen die Regeln. Wenn man will, kann man nach jeder Runde aussteigen. Das ist also auch nicht fair. O ja, du hast verloren!“
    Nun raunten die Gestalten entlang der Wände einander zu: „Sie hat verloren! Sie hat verloren! Sie hat verloren! Sie hat …“ Dieses Raunen schwoll mehr und mehr an, bis es schließlich den ganzen Raum füllte. Und dann erhob sich die erste der Gestalten von ihrem Stuhl.
    „Nein! Nein! Nein!“, kreischte die weiße Frau wie ein ungezogenes Kind, krallte die Hände in ihre aufgetürmte Frisur, das Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzerrt. In der weißen Schminke zeigten sich winzige, haarfeine Risse, der Puder begann auf den grünen Filz des Tisches zu bröckeln.
    „Mike, sieh doch, da ist einer aufgestanden“, sagte Lars aufgeregt. „Probier doch mal, ob du auch deinen Hintern hoch bekommst! Na los, mach schon!“
    Lars stand von seinem Stuhl auf, wobei sein Blick zwischen der Frau und seinem Freund hin und her pendelte. Und während Mike sich vorsichtig und mit unsicheren Beinen von seinem Stuhl erhob schrie die Frau immer lauter, starrte dabei unentwegt auf die vier Damen und den Joker.
    Nun geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Die immer noch größtenteils entlang der Wände sitzenden Gestalten riefen nun laut im Chor: „Sie hat verloren! Sie hat verloren!“ Endlos wiederholten sie diese drei Worte. Immer mehr der Leute standen auf, schließlich standen alle und bewegten sich von den Wänden fort und auf den Spieltisch zu. Mit zischenden Stichflammen gingen plötzlich die roten und schwarzen Vorhänge in Flammen auf. Die Köpfe der Jungen ruckten herum, als hinter ihnen plötzlich die Drehtür mit einem lauten Klirren zerbarst.
    Den schauerlichsten Anblick bot jedoch die weiße Frau. Sie zitterte am ganzen Körper, schrie lauter und lauter, dann plötzlich verstärkten sich die Risse in der Schminke, und mit einem Krachen barsten ihr Kopf und ihr Gesicht, als wären sie aus Stein und würden von einem Presslufthammer zertrümmert. Die Haare und das silberne Kleid standen plötzlich in Flammen wie die Vorhänge ringsum.
    „Bloß weg hier!“, brüllte Lars entsetzt. Und schon rannte er in die Richtung, wo eben noch die Drehtür gewesen war. Mike raffte mit beiden Händen so schnell er konnte ein paar der Münzen zusammen und schob sie in die Hosentaschen, dann rannte auch er davon. Der Chor der befreiten Männer und Frauen folgte ihnen.
    Die Trümmer der Drehtür hatten sich in Rauch aufgelöst. Wo sie gestanden hatte befand sich nun ein Spalt zwischen zwei Marmorsäulen. Auf diese Lücke rannten Lars und Mike aus Leibeskräften zu und befanden sich plötzlich wieder in einem Saal mit Polsterstühlen und –bänken, dazu passenden Tischen und vielen, vielen lächelnden Nichtstuern. Der widerliche blonde Schönling war nirgends zu sehen, aber die fünf übrigen Gefährten standen mitten im Saal und sahen sich suchend um. Der Tumult musste auch an ihre Ohren gedrungen sein, denn sie drehten sich zu Lars und Mike. Die Reaktionen auf das plötzliche Wiederauftauchen der Jungen waren unterschiedlich. Salvatore dankte lächelnd Gott, der Jungfrau Maria und allen Heiligen gleichzeitig und wischte mit seinem riesigen Taschentuch über Stirn und Glatze. Pietrino lächelte ihnen freudig entgegen.

Weitere Kostenlose Bücher