Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)

Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)

Titel: Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. R. Adam
Vom Netzwerk:
lüften zu können. Und wie auf Kommando spukt dieser verdammte Song wieder in meinem Kopf herum. I go crazy, just when I look in your eyes ...
    Ich halte mein Montagsmagazin so vor mich hin, dass ich den Kerl über den oberen Rand hinweg ständig im Auge behalten und mir jede Einzelheit seiner Gestalt einprägen kann. Davon zehre ich dann den ganzen Tag über. Die weichen Gesichtszüge, die in so krassem Gegensatz zu seiner strengen Miene stehen, die sonnengebräunte Haut seiner Stirn, den dichten, sauber, gestutzten Vollbart, das Grübchen am Kinn, das zwischen den Haaren sichtbar wird. Bewundernswert, wie seine Kleidung farblich aufeinander abgestimmt ist. Wer das wohl für ihn aussucht? Auf dem Pulli ist links in Brusthöhe ein kleines Krokodil aufgenäht. Mir fällt der blöde Witz ein, in dem zwei Männer, von einem Ausflugsdampfer auf dem Nil, ein kenterndes Boot beobachten. Als die Passagiere im Wasser zappeln, schwimmen von allen Seiten Krokodile auf die Unglücksstelle zu. Da sagt der eine Passagier zum andern: »Typisch Dritte Welt! Nichts zu fressen, aber die Rettungsboote sind von Lacoste.« Ich muss unwillkürlich grinsen. Der Kerl blickt herüber, verzieht aber keine Miene. Er könnte ja wenigstens schmunzeln, wenn mir ein Witz durch den Kopf geht.
    Ich kann mich nicht auf meinen Lesestoff konzentrieren und merke beim heimlichen Betrachten des Kerls, wie meine Fantasie mit mir durchgeht. Wie gern wollte ich in die Haut der kleinen Echse auf seinem Pullover schlüpfen und von dort aus unbemerkt die weite Landschaft seines Körpers erkunden. Und dann geschieht das Unglaubliche. Es scheint, als ob das Reptil mir zuzwinkert. Alles dreht sich in meinem Kopf und ein Schwindel überkommt mich, während eine leichte Schwäche mir kalten Schweiß auf die Stirn treibt. Die Konturen in meinem Blickfeld verschwimmen wie in einem von Hamilton weichgezeichneten Film. Nur das kleine Krokodil sehe ich klar umrissen wie durch die Linse eines Teleskops. Wieder zwinkert es mir zu, zeigt die Zähne, als wollte es grinsen. Ich fühle mich plötzlich leicht, scheine zu schweben, und dann entsteht ein Sog, der mich aus meinem Sitz hebt. Wie in einem Science-Fiction-Film werde ich durch einen schmalen Tunnel in Richtung des kleinen Krokodils gebeamt. Der Panzer scheint kein Hindernis. Ich durchdringe ihn auf magische Weise und stecke unvermittelt in der Haut der kleinen Echse. Erst fühle ich mich in dem Panzer beengt, habe Angst, keine Luft zu bekommen. Dann geht es.
    Ungläubig schaue ich zurück auf den Platz, wo ich eben noch saß. Dort sitzt jemand und liest ein Nachrichtenmagazin. Er trägt meine Kleidung, doch das Gesicht kann ich nicht sehen. Es bleibt hinter dem Heft verborgen. Meine leere Hülle, denke ich mit leichtem Gruseln. Ich muss erst mit der Situation zurechtkommen und mich an meine neue Identität gewöhnen. Vorher maß ich über einsachtzig. Nun bin ich winzig klein, gerade mal einen Fingerbreit. Na ja, ich wollte es so haben. Jetzt ist es zu spät, also muss ich mich damit abfinden.
    Mal sehen, wie so ein Krokodil ausgestattet ist. Ich habe vier Beine, einen mächtigen Schwanz zum Rudern und Balance halten und ein riesiges Maul. Erst da wird mir bewusst, dass ich mich verwandelt habe. Mein Gott, wie furchtbar! Vielleicht habe ich zu viel Kafka gelesen. Aber es scheint alles Realität. Der Ausblick nach vorn erinnert an die Kühlerhaube eines Cadillac aus den Fünfzigern, vom Fahrersitz aus gesehen. Ein Blick nach oben lässt mich vor Ehrfurcht erstarren. Da türmt sich riesig, wie eine überlebensgroße Statue, die Gestalt meines Herrchens über mir. Ich sehe von unten das kräftige, leicht vorspringende Kinn, die breiten Backenknochen und die gewaltige Nase. So muss Cary Grant sich auf den Klippen des Mount Rushmore zwischen den Büsten der Präsidenten in Hitchcocks Der unsichtbare Dritte vorgekommen sein. Au Backe!
    Gerade, als ich das Maul aufklappe, wie die Kühlerhaube eines Wagens, und einige Bewegungen ausprobieren will, blickt die Dame von schräg gegenüber in meine Richtung. Ihre Augen weiten sich fassungslos. Sie schüttelt ungläubig den Kopf, legt ihr Strickzeug in den Korb und nimmt ihre Brille ab, um die Gläser zu putzen. Ich klappe die Motorhaube wieder zu und bleibe reglos sitzen. Nachdem die Dame ihre Brille wieder aufgesetzt hat, blickt sie unauffällig in meine Richtung und zweifelt wohl an ihrem Verstand. Dann nimmt sie ihr Strickzeug wieder auf, blickt aber noch ein oder zweimal

Weitere Kostenlose Bücher