Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
den Kontakt mit Ruth konzentrieren, denn auf diese Weise ist Mary gekommen. Ich bin jetzt bereit zu beginnen. Seien Sie nicht ungeduldig, denn es dauert immer eine Weile... Auch nicht, wenn wir nicht gleich ein Resultat erzielen.»
    Von der Couch her sagte Constable: «Sie haben gesagt, Sie hätten die Kraft.»
    «Still», sagte Hero.
    Während der beiden ersten anmutigen Vivaldisätze blieb das Schweigen ungebrochen. Aber dann hörte man eine Reihe lauter Klopfzeichen, die erst von der einen und dann von der anderen Seite des Raums zu kommen schienen und von einem seltsam schrillen Stöhnen begleitet waren, und einen Augenblick lang sah man einen schwachen rosa Lichtschein unweit der Decke über der Tür, der dann aber wieder verging. Aus der Nähe des auf den Stuhl gefesselten Mannes kamen keuchende, klagende, flüsternde Laute, die zuerst unverständlich waren, aus denen man dann aber immer wieder den Namen Ruth heraushörte. Darauf wurde es für einen Augenblick totenstill, und als der dritte Satz des Konzerts endete, und noch ehe der letzte begann, vernahm man mit einer durchdringenden Stimme zweimal den Namen Peter.
    Der Mann auf dem Stuhl begann jetzt wie unter großer Anstrengung zu rufen: «Ruth! Ruth! Bist du da? Ruth, glaub mir, ich habe dich nie weggeschickt.»
    Dann klang die Stimme verstört und fragend: «Mary? Nein, nein, Ruth. Bist du das wieder, Mary? Wo ist Ruth? Sie war eben noch hier. Wird sie wiederkommen?»
    Er sprach jetzt fast ununterbrochen, hielt nur inne, als ob er auf die Antworten auf seine Fragen lausche. «Ja, ich kenne dich, Mary. Ich weiß, wer du bist. Bist du jetzt immer mit Ruth zusammen? Bist du darum gekommen, als ich nach ihr gerufen habe? Ach, du möchtest deinen Vater sehen. Er ist hier bei mir. Ja, im gleichen Zimmer. Er liebt dich zärtlich, Mary. Du ihn auch? Ja, er weiß es. Er war traurig, als du sagtest, du könntest nicht mehr kommen. Was? Sie haben dich beschwindelt? Wer hat dich beschwindelt? Ja, aber wer sind sie? Es waren die falschen, sagst du? Sie waren böse? Die anderen sind gut? Sind sie jetzt dort? Werden sie dich zu deinem Vater kommen lassen?»
    Von der anderen Seite des Zimmers hallte ein Schrei durch das Dunkel: «Mary! Mary!»
    Fairweathers Stimme wurde wieder lauter. «Was? Warte, warte, ich kann es nicht verstehen. Wer? Ralph? Was für ein Ralph? Ich kenne Sie nicht, Ralph. Stören Sie nicht. Ich sprach gerade mit jemand anderem. Wer? Meines Bruders Sohn? Ach, Ralph, Ralph, nicht jetzt. Ein andermal. Ich sprach mit Mary und Ruth. Sind sie dort? Mary, deine Stimme klingt jetzt leiser. Wirst du wiederkommen? Ja, ich verstehe — später. Wirst du eine Botschaft für deinen Vater hinterlassen, ehe du gehst? Ja, eine Botschaft. Du hast sie hinterlassen, Mary? Was für eine war es? Wo ist sie, Mary? Du sagst, wir werden sie finden? Mary, wo bist du?»
    Wieder Stille. Die Musik verstummte, und die Stimme des Ansagers kündete die nächste Platte an: Mozarts Klarinettenkonzert, gespielt von Benny Goodman. Ehe die Musik zu ertönen begann, hörte man wieder das Wispern: «Peter! Lieber Peter!»
    Bei den ersten Takten des Konzerts begann Fairweather zu schreien und zu stöhnen, sich hin und her zu werfen, so daß die Stuhlbeine auf den Boden trommelten. Für einen Augenblick schien es, als sei er in unmittelbarer Erstickungsgefahr. «Hilfe! Licht an!» rief er.
    Constable sprang von der Couch auf, lief zur Tür, machte Licht und drehte sich dann zu Fairweather um, der, halb bewußtlos, gefesselt dahockte, den Kopf rollend, die Augen verdrehend, so daß man nur das Weiße sah, das Gesicht mit Schweiß bedeckt und dunkelrot, während das Constables leichenblaß war.
    Der Wissenschaftler nahm den schwankenden Kopf in seine Hände und drückte ihn an seine Brust, entkorkte die in der Nähe stehende Flasche, hielt sie ihm an die Lippen und flößte ihm etwas von dem Whisky ein. Er ahnte gar nicht, wie Hero danach lechzte. Stöhnend hörte Fairweather auf, an dem Strick zu zerren, wurde wieder normaler, und seine Augen nahmen seine Umgebung wahr. Einen Augenblick starrte er Constable an, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen. Dann dämmerte ihm langsam, wer er war. «Professor Constable», murmelte er, «sind Sie wohlauf? Ist etwas geschehen? Ich glaubte, Ruth... Ihre Tochter Mary... Meines Bruders Sohn Ralph, der bei einem Skiunfall ums Leben kam, als er zwölf war. Warum ist er gekommen?» Er wollte sich erheben und sagte dann überrascht: «Warum bin ich

Weitere Kostenlose Bücher