Die Hand von drüben
Körper zuckte zweimal, ein Zittern durchlief ihn, und dann war die letzte Kraft aus ihm entwichen.
Die Augen des Mannes waren geschlossen. Er hatte das Bewußtsein verloren. Hero trat auf etwas und sah, daß es der Kork war, der von der Nadel entfernt worden war. Er schob ihn wieder auf die scharfe Spitze, dann, immer noch keuchend, hob er den Körper auf den Stuhl, fesselte ihn dort schnell und geschickt mit der Wäscheleine und rückte den Stuhl in den Hintergrund des Kabinetts. Daraufhin hob er das Akkordeon und das Tamburin vom Boden, auf den sie während des Kampfes gefallen waren. Er rasselte mit dem Tamburin und klopfte dann mit den Fingerknöcheln in einem besonderen Rhythmus laut auf den Tisch. Es war das Zeichen für Sullivan, die Musik abzustellen. Er tat es mit einem Seufzer der Erleichterung darüber, daß er nicht seinem Impuls gefolgt war und eingegriffen hatte. Alexander Hero ergriff die Gliederzange, befestigte ein kaltes, feuchtes Tuch daran und steckte sie durch die Vorhänge des Kabinetts, wobei er mit dem Tuch Wieners Braue streifte, der darauf, ohne es zu wollen, laut schrie: «Verdammt noch mal!»
Dann nahm Hero das Akkordeon, spielte ein paar Takte von «Meine Augen haben das Kommen der Glorie des Herren gesehen», und danach ging die Séance planmäßig weiter.
Einundzwanzigstes Kapitel
«Licht!»
Der Ruf hallte laut aus dem Kabinett. Sullivan drehte den Schalter, und die Männer, die eine Stunde lang im Dunkeln gesessen hatten, blinzelten in das grelle Licht. Man sah in ihm auch die drei, die zu Anfang der Séance noch nicht dagewesen waren. Constable blickte um sich, erstaunt über die Anwesenheit der anderen. Dr. Ferguson war verblüfft und sogar ein wenig entsetzt.
Hinter ihnen saßen General Augstadt in Zivil und Philbrick, der FBI-Mann aus Washington, und der junge Ferris, der Fingerabdrucksachverständige. Wie man es abgesprochen hatte, waren sie im Schutz der Dunkelheit leise in den Raum gekommen.
Was auch Dr. Ferguson und Constable über dieses unerwartete Eindringen der drei denken mochten, sie behielten ihre Gedanken zunächst einmal bei sich und wandten ihre Aufmerksamkeit von neuem dem Kabinett zu, als Peter Fairweather zwischen den Vorhängen auftauchte, die er schnell wieder hinter sich schloß, und dort einen Augenblick stand, fast wie ein Schauspieler, der sich mit einer Verbeugung für den Beifall bedankt. Nur Wiener bemerkte, daß er einen Kratzer am Kinn und einen blauen Fleck unter dem einen Auge hatte und wunderte sich darüber, denn vorher hatte er beides nicht gesehen.
Fairweather ging zu dem Tisch vor dem Kabinett, auf den er vor der Séance die Heizplatte mit dem Topf voll geschmolzenem Wachs und den Eimer mit kaltem Wasser gestellt hatte. Beides stand noch dort, aber dazwischen sah man jetzt zwei Gegenstände, die jeder mit einem weißen Tuch bedeckt waren. Er berührte das eine der Tücher. Constable erhob sich erregt von seinem Stuhl, und als das Tuch fortgezogen wurde, sprang er auf den Tisch zu und starrte mit aus dem Kopf quellenden Augen auf das hinunter, was sich darunter verborgen hatte. Es war eine Wachshand mit leicht gekrümmten, flehend ausgestreckten Fingern. Auf der Handfläche waren die feinen Linien deutlich zu sehen, und an den Fingerspitzen die Schleifen und Kurven von Fingerabdrücken.
«Bei Gott!» krächzte Constable mit heiserer Stimme, und noch einmal: «Bei Gott!»
Er ergriff die Wachshand, an der noch von dem kalten Wasser, in die sie getaucht worden war, ein paar Tropfen wie Tau hafteten, drehte sie um und betrachtete sie genau von allen Seiten. Dann ging er zu dem Glaskasten, in dem die andere Hand auf schwarzem Samt lag, nahm sie heraus, zog ein kleines Vergrößerungsglas aus seiner Westentasche und musterte die Fingerabdrücke. Darauf legte er die erste Hand wieder in den Kasten und ging mit der anderen, das Gesicht vor Freude glühend, zu dem Tisch zurück. «Bei Gott, Fairweather, Sie haben es geschafft«, sagte er, ihm die Hand fest drückend, «Sie haben die Kraft. Sie haben sie mir wiedergebracht. Sie ist hier gewesen. Sie ist hier gewesen. Es ist die Hand meiner Tochter.»
«Nein, ich habe die Kraft nicht. Und es ist niemand hier gewesen», erwiderte Fairweather in kühlem Ton, und jedes Wort war wie das Ticken einer Zeitbombe. Alle im Raum hielten den Atem an. Dr. Frank Ferguson wurde leichenblaß. Constable ging der Sinn der Worte Fairweathers gar nicht auf, denn er war ganz in den Anblick der Wachshand versunken
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