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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Armen lag, hatte er etwas gerochen, das so berauschend war wie sie selbst. Es war kaum ein Geruch, sondern — und hier lächelte er im Dunkeln über seine extravaganten Gedanken — eine Destillation von Sternen- und Sonnenlicht, frisch und delikat, etwas Entrücktes und Unberührbares, als hätte der Geist von Ruth Lesley einen Hinweis auf die Geheimnisse jener anderen Welt, in der die Toten weilten, mitgebracht.
    Dummes Zeug, sagte Hero zu sich selbst.
    Aber so hat es gerochen, verteidigte sich Peter Fairweather.
    Quatsch! fluchte Hero leise und wünschte, er könnte sich selber einen Tritt versetzen, zur Strafe dafür, daß er sich so hatte einlullen lassen.
    Der Gesang und die Musik waren von neuem verstummt, und die Glöckchen des Tamburins bimmelten. Die Brechreiz verursachende Stimme der Prinzessin Devi war zu vernehmen: «Ich bin wieder da. Ich bin überall in der Welt gewesen. Ich habe ein paar weitere Botschaften für Leute hier mitgebracht.» Sie teilte sie dem Ehepaar namens Clark und Mrs. Hennessy und. Mr. Holworthy mit. Sie waren zweideutig und kaum tröstlich, außer der für Holworthy, in der es hieß, daß Annie, seine Geisterfreundin, heute abend nicht hiersein könne, aber vielleicht ein andermal zu ihm kommen werde.
    Hero spürte plötzlich eine ebenso heftige wie lächerliche Anwandlung von Eifersucht. Tat Annie, wenn sie erschien, das gleiche für Mr. Holworthy, was Ruth Lesley für Peter Fairweather getan hatte? Und als er sich bewußt wurde, wie blöde dieses Gefühl war, wurde ihm wieder fast übel.
    «Oooh», gurgelte Prinzessin Devi. «Hallo, Mary! Wie hübsch siehst du heute abend aus! Hast dich für deinen Daddy so hübsch gemacht, nicht wahr?»
    Die Wut fiel von Hero ab, und er war wieder nüchtern und wachsam.
    «Prinzessin Devi wird der hübschen Mary einen Kuß geben... Hier...»
    Der Raum hallte plötzlich von einem jungen silberhellen Lachen wider. Es kam nicht von der schwachsinnigen Prinzessin Devi. Es war das ansteckende Lachen eines Kindes. Hero merkte, daß sein Herz wild schlug.
    Prinzessin Devi sprach von neuem: «Daddy Constable, deine Mary ist hier. Ich gehe jetzt. Komm zu deiner Mary, Daddy Constable. Aber du darfst sie nicht anrühren. Wenn du ein guter Daddy bist, wird Mary dich küssen. Auf Wiedersehen dann», und das Rasseln des Tamburins wurde leiser und verstummte. Nichts rührte sich, niemand bewegte sich. Jemand oder etwas flüsterte: «Daddy, Daddy!»
    Wie der Zuschauer in einem Theater, der merkt, aber noch nicht ganz, daß sich die Beleuchtung plötzlich ein wenig geändert hat, spürte das Hero jetzt, ehe er sicher war oder sah, was nun offenbart wurde. In einem schwachen phosphoreszierenden Schein vor dem Kabinett, dessen Umrisse jetzt verschwommen zu sehen waren, saß auf dem Boden davor, die Hände im Schoß, die Gestalt eines Kindes, zumindest glaubte dies Hero fest. Er konnte die Gestalt jedoch nicht genau erkennen, denn es war zu dunkel dafür; es ließ sich darum auch keine Einzelheit wahrnehmen.
    Hero hörte zu seiner Linken ein Geräusch, und dann sah er die riesige Gestalt des Professors, der sich erhoben hatte und der Materialisation seiner toten Tochter entgegenwankte.
    Im Raum war es jetzt mäuschenstill geworden, bis auf die üblichen Laute des in Trance versetzten Mediums, und selbst diese waren nur noch ein schwaches Wimmern. Einen Augenblick hob sich Professor Constables Silhouette von dem verborgenen roten Lichtschein ab. Er sank vor der Gestalt, die aus dem Kabinett aufgetaucht war, auf die Knie. «Mary», rief er, und aus seiner Stimme sprach seine ganze Liebe und Sehnsucht nach seinem Kind. «Es hat so lange gedauert, bis du kamst...»
    «Ich bin jetzt da, Daddy!» Fairweather-Hero war baß erstaunt. Die Stimme Mary Constables war die eines wohlerzogenen Kindes und hatte die ungespielte Atemlosigkeit eines sehr jungen Mädchens.
    «Rühr dich nicht, Daddy. Ich möchte dich küssen. Für den Fall, daß sie mir nicht erlauben, wiederzukommen. Halt ganz still.»
    Die kaum sichtbare Gestalt vor dem Kabinett veränderte ihre Stellung, und dann hörte man einen leisen Ruf: «Ach, Daddy, das kitzelt!», dem das silberhelle Gelächter folgte, und Professor Constable lachte ebenfalls, als wäre er allein in dem Zimmer.
    Hero begann sich das Haar zu sträuben. Das Kitzeln war offensichtlich ein Familienscherz, vielleicht wenn Constable nicht glatt genug rasiert war. Man hörte den Kuß und ein Schluchzen von Constable. Um Gottes willen, dachte Hero,

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