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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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sollten die Geister der Toten nicht ihr Gewissen behalten? Erinnern Sie sich an die Zeilen aus Elizabeth Brownings ? Daran sollte ich erinnert werden.» Er blickte Fairweather ernst an, sog an seiner Pfeife, nahm sie dann aus dem Mund und deutete mit dem Stiel zu ihm hin: «Wissen Sie, wie furchtbar es dort draußen ist, wie fern, wie kalt, wie dunkel, wie einsam? Wenn Sie, mein Freund, in den menschlichen Geist hineinblicken, packt Sie gewiß manchmal das Grausen. Können Sie sich die Schrecken des Raums vorstellen, den wir zu erforschen suchen, die Hitze, die unendliche Kälte und die Grenzenlosigkeit des Universums?»
    Er fürchtet das, was sie dem Geist seines Kindes anzutun gedroht haben, dachte Hero. Sie werden siegen, wenn ich es nicht verhindern kann.
    «Es war sehr freundlich von Ihnen, daß Sie mitgekommen sind», sagte Professor Constable.
    Fairweather merkte, daß Constable aufgestanden und das Gespräch beendet war. Auch er erhob sich. «Vielleicht können wir uns ein andermal weiter unterhalten», schloß Constable. «Es würde mich sehr interessieren, was für Resultate Sie am Montag erhalten.»
    Die beiden gingen zur Tür und mußten dabei an dem Glaskasten vorüber, in dem die perlfarbene transparente Hand schimmerte. Und einen Moment lang ruhte Constables Blick liebevoll und entspannt auf ihr. Er deutete mit seinem Pfeifenstiel darauf und sagte mit einem Lächeln, das fast boshaft war: «Man kann das nicht wegerklären, wissen Sie.» An der Tür verabschiedeten sie sich, und Constable sagte: «Es ist nur ein kleines Stück bis zum Broadway, wo Sie ein Taxi finden werden.»
    Die Tür schloß sich hinter ihm, und Hero ging vom Fluß in der angegebenen Richtung den Hügel hinauf. Er sah auf seine Uhr. Es war halb drei morgens. Eine Minute später bekam er so heftige Zahnschmerzen, daß er schwankte und fast von der Bordschwelle herunterfiel. Es war ein schneidender Schmerz, der ihn so unvermutet mit aller Gewalt überfiel, weil er seinen kranken Zahn ganz vergessen hatte. Man hatte ihm gesagt, das könne kommen, aber niemand hatte ihm vorausgesagt, daß es so schlimm werden könnte. Als er sich zusammenriß, um seinen Weg zum Broadway fortzusetzen, saß er bereits im Geist auf dem Behandlungsstuhl Dr. Hofstetters, des Zahnarztes, dessen Adresse ihm sein eigener Arzt gegeben hatte, für den Fall, daß sich eine weitere Behandlung in New York als notwendig erweisen sollte, und er beschloß gerade, sich gleich am nächsten Morgen bei ihm telefonisch anzumelden, als die Schmerzen so plötzlich vergingen, wie sie gekommen waren.
    Als er den Broadway erreichte, spürte er nur noch ein leises Puckern in der Backe. Constable hatte recht gehabt, es waren noch viele Taxis zu dieser Stunde unterwegs. Er hielt eins an und ließ sich zu seinem Hotel fahren. Als er dort ankam, war von den Schmerzen überhaupt nichts mehr zu spüren.

Neuntes Kapitel

    Dennoch fand er keinen Schlaf. Zuviel war geschehen, zu viele Eindrücke waren auf ihn eingestürmt, seit er vor weniger als achtzehn Stunden aus dem Flugzeug gestiegen war. Und dazu kam nun noch die Tatsache, daß er soeben eine beträchtliche Zeit in der Gesellschaft eines Mannes verbracht hatte, der eine Aktion plante, die die furchtbarsten Folgen für die westliche Welt haben mußte und das Leben Millionen unschuldiger Menschen gefährden konnte.
    Als er Constable gegenübergesessen hatte, war ihm gar nicht aufgegangen, was für grauenhafte Auswirkungen sein Plan auf die freien Nationen haben würde. Er hatte vor allem daran gedacht, sich nicht zu verraten. Constable hatte nicht merkwürdiger oder unnormaler gewirkt als jeder, der einen geliebten Menschen verloren hat und nach dem Strohhalm greift, den die Scharlatane des Spiritismus ihm reichen. Aber jetzt, da Hero allein war, wurde ihm erst die Ungeheuerlichkeit des möglichen Verrats bewußt, und er erinnerte sich an Andeutungen und unausgesprochene Dinge in seinem Gespräch mit dem Professor in Zusammenhang mit dem, was Dr. Ferguson und die Agenten des Geheimdienstes ihm enthüllt hatten. Samuel Haie Constable war nicht nur ein trauernder Vater und ein Dummkopf und verblendeter Wissenschaftler, der von einem Paar moderner Cagliostros hereingelegt wurde, sondern auch eine Zeitbombe, die jeden Augenblick explodieren und eine ganze Zivilisation versklaven oder vernichten konnte, wenn man ihn nicht wieder zur Vernunft zu bringen

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