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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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fuhr zusammen, als sei sein Geist gerade von einer sehr weiten Reise in seinen Körper zurückgekehrt, ließ dabei Zigarrenasche vorn auf seine schwarze Alpakajacke fallen, die er hastig abwischte, als er aufsprang und sagte: «Entschuldigen Sie, ich bin gleich wieder da», und er verschwand hinter dem Vorhang.
    Hero hörte das Klappern hoher Absätze und das fröhliche Girren einer Frauenstimme, und dann sagte Cryder: «Ach, Tina. Bist du schon wieder zurück? Wir haben Besuch.» Und dann flüsterte er etwas, das Hero nicht verstehen konnte.
    Der Vorhang wurde beiseite geschoben, und ein junges Mädchen betrat vor Cryder den Raum, in dem Hero sich bereits erhoben hatte.
    Es waren ihre Augen, die ihm als erstes auffielen, so daß es ihm die Sprache verschlug, obwohl er später dahinterkommen sollte, daß alles an Tina Cryder ihn so verwirrt hatte. Sie hatten die Farbe sehr heller Aquamarine, waren riesengroß und gehörten zu einem schmalen, pikanten Gesicht unter einer Mähne aus glänzendem braunem Haar, das so lang sein mußte, daß es ihr bis zur Taille herunterreichte, denn sie trug es erstaunlicherweise in der Mitte gescheitelt und in zwei Schnecken aufgesteckt zu beiden Seiten des Kopfes. Ihre Haut entsprach ihrem dunklen Typ und war sehr zart. Die Wirkung der beiden durchsichtigen Augen, die ihn aus dem Dunkeln anstarrten, war geradezu erschreckend. Und der erste Blick, mit dem sie ihn bedachte, als sie herauskam, war sogar herausfordernd und abschätzend.
    Es gibt Begegnungen zwischen Männern und Frauen, bei denen schon feststeht, wohin sie führen, noch ehe sich ihre Hände berührt oder sie ein Wort miteinander gewechselt haben. In dem Augenblick, da Alexander Hero Tinas Augen auffunkeln und den Ausdruck ihrer halb geöffneten Lippen sah, war es um ihn geschehen.
    «Meine Tochter Tina», sagte Cryder.
    Als sie mit ausgestreckter Hand auf ihn zukam, sah Hero, daß sie, obwohl sie sehr klein war, eine wunderbare, wohlproportionierte Figur hatte. Sie ähnelte einem Kind, nur ihr Auftreten, ihre Haltung, ihr Ausdruck waren die einer Erwachsenen. Trotz ihrer kleinen Gestalt war sie eine reife Frau und für Hero sehr begehrenswert.
    Noch ehe Cryder die beiden miteinander bekannt gemacht hatte, lag ihre Hand schon fest und warm in Heros, und sie blickte ihn forschend an.
    «Dies ist Alexander Hero aus London», sagte Cryder. «Ein Freund von Phil Elliott vom Magischen Zirkel.»
    Hero war einen Augenblick unsicher, ob sich der Druck ihrer Hand nicht verstärkte, und fragte sich, ob es sein Schicksal sein könne, daß sie versuche, ihm die gleiche Botschaft zu senden wie er ihr, jenes Erkennen auf den ersten Blick, das, wenn man es in Worte faßte, nur damit ausgedrückt werden könnte:
    «Alexander Hero», sagte Tina Cryder, «ich bin sehr glücklich, Sie kennenzulernen.» Ein leiser Akzent verriet sich in ihrer Sprache, aber Hero vermochte nicht zu sagen, was für einer, nur daß er bezaubernd war. Konnte er polnisch sein? Aber warum?
    «Mr. Hero möchte eine Wachshand für eine Materialisation haben», sagte Cryder. »Er ist in der Medienbranche.» Und als das junge Mädchen ihm einen fragenden Blick zuwarf, fügte er hinzu: «Aus einem Stück, hohl wie ein Handschuh, mit Fingerabdrücken.»
    Alle schwiegen jetzt, und das Schweigen erinnerte Hero an das, das er eben hatte aushalten müssen, als Paul Cryder so lange dagesessen hatte, ohne etwas zu sagen.
    «Die Fingerabdrücke», fuhr Cryder fort, «gehören jemandem, der tot und eingeäschert ist, und es soll so wirken, als ob der Geist wiedergekehrt sei.» Dann fügte er hinzu: «Hast du schon einmal von so einem Kunststück gehört?» Und zu Hero gewandt, erklärte er: «Meine Tochter weiß mehr von diesen Dingen als ich. Sie ist vier Jahre mit einem Zauberer als dessen Assistentin herumgereist. Es war der große Scarlett. Sie ist überall gewesen. Ich glaube, du bist auch in London gewesen, nicht wahr, Tina?»
    «Ach, Vater», sagte Tina gespielt bescheiden. Hero hatte jedoch den Eindruck, daß sie für einen Augenblick wirklich verärgert war, und fragte sich, warum. Seltsam, dachte er, was für Umwege das Schicksal manchmal machte. Er hatte gerade, während der große Scarlett, der auf das Materialisieren und Verschwinden Dutzender weißer Tauben spezialisiert war, in London im auf getreten war, recherchieren müssen.
    «Sie möchte eine richtige Schauspielerin werden», sagte Cryder.
    «Hast du in der Bibliothek

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