Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
schwankend, ratternd und rasselnd, in einer Hundertmeilenstundengeschwindigkeit, wie es schien, überdachte Hero, was er von Cryder wußte.
    Es war eine alte Firma, vielleicht die älteste existierende ihrer Art, und das ließ ihn hoffen, daß irgendwo in ihren Akten oder ihrer Bibliothek oder vielleicht sogar im Kopf des noch lebenden Paul Cryder etwas über Wachshände zu finden wäre. Vielleicht hatte der verstorbene Harry Houdini, der in Amerika dadurch von sich hatte reden machen, daß er betrügerische Medien entlarvte, mit dieser Manifestation experimentiert und etwas darüber hinterlassen. Wenn es so war, würde Cryder der Mann sein, der davon wissen konnte.
    Die Firma Cryder war im Jahre 1843 durch einen Leon Cryderski, einen Polen, gegründet worden, einen umherziehenden Bühnenzauberer und Taschenspielerartisten, der einige Jahre zuvor in New York und Philadelphia aufgetreten war. Bei einem Theaterbrand war er so schwer verletzt worden, daß er die für seinen Beruf so notwendige Beweglichkeit der Hände verloren hatte. Er eröffnete daraufhin einen Zauberladen in der Cedar Street, und seine Nachkommen und Erben hatten seitdem das Geschäft fortgeführt. Wie der der Elliotts in London hatte der Laden zur Jahrhundertwende glänzende Geschäfte gemacht, zu der Zeit, als Zauberer und Zaubervorführungen blühten und große Namen unter den Zauberkünstlern ein Theater für einen Abend zu füllen vermochten. In der modernen Zeit hatte das Interesse an solchen Vorführungen nachgelassen, ja, war kaum noch vorhanden, und wie andere Zauberladenbesitzer hatten die Cryderski-Erben schwere Zeiten erlebt.
    Irgendwann im Laufe der Jahre war der Name amerikanisiert und das «ski» fallengelassen worden. Der jetzige Geschäftsinhaber, Paul Cryder, war der Urenkel des Gründers. Die Elliotts hatten ihn kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bei einem Besuch in Amerika kennengelernt. Er war jetzt etwa fünfundfünfzig Jahre alt.
    Der Zug verlangsamte das Tempo, als er in die Station Wall Street einfuhr, wo er zehn Sekunden später hielt, und Hero gelang es gerade noch herauszukommen, ehe die automatischen Türen, die sich fast im gleichen Augenblick, wie sie sich öffneten, wieder schlossen, ihn einklemmen konnten. Wieder in der frischen Luft und der immer noch warm scheinenden Sonne, orientierte sich Hero selber und fand bald die enge Schlucht des unteren Broadway, blieb einen Augenblick stehen, um die Trinitykirche zu bewundern, die demütig zwischen den Wolkenkratzern wie eine im Walde wachsende Blume stand, ging das kurze Stück bis zur Cedar Street und bog dann links in Richtung Fluß ein.
    Die Cedar Street war das Überbleibsel einer City, die sich nach Norden entwickelt hatte. Es gab dort noch ein paar düstere Geschäftshäuser, Eisenwarenhandlungen und schmuddelige Cafeterias. Hero kam an Läden vorüber, in denen es Radios zu herabgesetzten Preisen, Sportartikel und Schreibwaren gab. Das Geschäft der Cryders befand sich zwischen dem eines Briefmarkenhändlers und dem eines Klempners.
    Das Schild darüber — Cryders Zauberladen — mußte noch das ursprüngliche sein. Es war zwar neu vergoldet, aber die Schrift darauf war vor einem Jahrhundert Mode gewesen. Mit dem Geschäft war es tatsächlich bergab gegangen, denn das Schaufenster war so mit Staub und Ruß bedeckt, daß es fast undurchsichtig war, und es war darin kaum etwas anderes ausgestellt als solche Scheußlichkeiten, wie man sie an Dummköpfe und jugendliche Missetäter verkauft, wie Niespulver, falsche Nasen und Schnurrbärte, explodierende Zigarren und Anstecksträuße, mit denen man jemandem Wasser ins Gesicht spritzen kann. In mit Staub bedeckten Kästen waren auch ein paar Zaubertricks ausgestellt, aber die meisten der Waren waren von der Art, wie sie auf einer mit Fliegendreck besäten Karte beschrieben waren: «Seien Sie das Leben und die Seele der Party.» Es mußte dem Geschäft wirklich sehr schlecht gehen.
    Hero öffnete die Tür und ging hinein, wobei er das mißtönende Scheppern einer altmodischen Glocke auslöste, die über der Tür an einer Feder befestigt war, um das Kommen eines Kunden zu melden. Es war ein sehr kleiner, enger Laden, dessen ganze Länge eine Theke einnahm — und an deren hinterem Ende sich ein Vorhang befand. Hinter der Theke standen vom Boden bis zur Decke reichende Regale voll verstaubter Pappkartons mit handgeschriebenen Etiketts daran, die verrieten, was sie enthielten. Es roch muffig.
    Der Vorhang bewegte sich, wurde

Weitere Kostenlose Bücher