Die Hand
Nische zwischen Bar und Wand. Es war dort zwar nicht gerade bequem, doch wähnte er sich für die Nacht sicher. Sein Schlaf war allerdings nicht von langer Dauer. Fast hätte er sich verraten, als er durch mehrere Stimmen und Stühlerücken aufwachte und sich nicht sofort daran erinnern konnte, wo er sich befand. Vom Kirchturm schlug es achtmal. Was er dann unfreiwillig mithörte, ließ den Taschendieb sich ängstlich hinter der Bar zusammenducken. Colin Shapton rollte sich regelrecht ein wie ein Igel, der nicht mehr gesehen werden wollte.
Die Phantombande schmiedet Pläne
Reg Stewart hatte seine Freunde bereits erwartet. Sein Auftreten und die Ausdrucksweise verliehen ihm Respekt und Anerkennung. Ihnen verdankte er auch seine Rolle bei diesen Männern, die sich, so verschieden sie waren, von Zeit zu Zeit zu einer Crew zusammenschlossen und Stärke und Sicherheit in diesem Bündnis fanden. Reg hatte auch verstanden, warum Mike diesmal nicht dabei war. Es war Ehrensache, sich um eine neugegründete Familie zu kümmern, und es war Ehrensache, nichts über die Phantombande zu verraten.
Colin wurde in dem Augenblick wach, als Reg seine Kameraden in das Nebenzimmer führte.
Nur Reg Stewart wußte, daß draußen in der Gaststube die HAND saß und seelenruhig Roastbeef mit Meerrettich speiste. Reg hatte seinen Chef sofort gesehen, da sich außer ihm nur noch sechs andere Personen dort aufhielten. Die HAND hatte nicht einmal aufgesehen, als die Mitglieder der Bande eintrafen. Wieder hatte Reg die eisernen Nerven der HAND bewundert.
Die Phantombande plazierte sich in neuer Gruppierung um den runden Tisch. Alan Gilman, Ritchie Carryl, Miles Gordwell und sein von ihm neu ausgesuchter Mann, Bob MacDorson. Hier in diesem Zimmer war Reg die führende Stimme. Die treibende Kraft und somit das geistige Triebrad blieb für vier der Männer unbekannt.
Ritchie Carryl trieb dem Taschendieb unbewußt den Angstschweiß auf die Stirn, als er sagte: „Seht mal. Eine richtige Bartheke. Das wäre genau das richtige für meinen Partykeller.“ Ritchie wandte sich an den jungen Ober, der gerade Gläser und eine Flasche Whisky auf den Tisch stellte: „Ist das Möbel zu verkaufen?“
Der Ober schüttelte den Kopf: „Ich weiß nicht, Sir. Ich bin hier nur Aushilfe. Da müssen Sie schon den Chef fragen.“
„Okay“, meinte Ritchie. „Das werde ich machen.“
Der Ober legte noch ein Paket Spielkarten auf den Tisch und verschwand. Gleich darauf sagte Reg Stewart bestimmt: „Alan, schließ die Fenster und zieh die Vorhänge zu.“
Dann teilte Reg die Karten aus und grinste: „Schließlich machen wir hier eine Pokerpartie. Legt mal Geld auf den Tisch.“
„Eigentlich lachhaft“, dachte Colin. Er, der immer hinter den Eigentümern und Eigentümlichkeiten anderer her war, lag jetzt praktisch gefesselt und geknebelt und lauschte dem Klimpern von Münzen und Knistern von Scheinen. „Wenn die jetzt die ganze Nacht pokern, bringe ich kein Auge zu.“
Mit der Angst, sich auf eine ganze Nacht einrichten zu müssen, versuchte er in Schlangenmanier, eine Stellung zu finden, die ihm ein längeres Ausharren ermöglichen sollte. Der Angstschweiß stand ihm im Gesicht bei der Vorstellung, eine der Holzdielen hielte seinem Gewicht nicht in aller Ruhe stand.
Reg Stewart klopfte ungeduldig mit den Knöcheln seiner rechten Hand auf den Tisch. „Bitte Ruhe, meine Herren. Wir sind hier nicht zum Vergnügen.“ Er wandte sich an Bob MacDorson: „So, du bist also unser Neuer? Du kennst dich mit Booten aus?“
Bob MacDorson blickte unsicher in die Runde: „Ja, Sir.“
„Laß das ,Sir’ weg. Wir sind für die Zeit unserer gemeinsamen Arbeit eine Familie. Du kannst mich Reg nennen, Bob.“
„Okay.“ Bob MacDorson wartete.
Reg sagte ruhig: „Es ist dir doch klar, daß du in spätestens einer Stunde nicht mehr umkehren kannst, Bob?“ MacDorson spürte die fragenden Blicke der anderen auf sich ruhen und fühlte sich unbehaglich. Er versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben: „Das ist mir klar, Reg.“
„Gut, kommen wir zur Sache. Ich...“
Auch MacDorson erkannte Regs Persönlichkeit an. Dessen Ruhe und Bestimmtheit und die Offenheit, mit der er ihm, „dem Fremden“, gegenübertrat, ließ ihn Zuversicht zu seinem Entschluß bekommen. Er spürte das Vertrauen der Männer untereinander, und mit dem Angebot des Du war die Zurückhaltung vor dem, auf das er sich hier einließ, schon sehr weit weggerückt.
Miles unterbrach:
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