Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hand

Die Hand

Titel: Die Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
Vom Netzwerk:
Sofa mit einem exotischen Blumenmuster, in das er sofort tief einsank. William Miller lachte, als er Perry Cliftons für einen Moment erschrockenes Gesicht sah.
    „Ja, ja, die alten Federn sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Das Sofa stammt noch von meinem Bruder Jonas, genau wie dieser Teekessel hier, der mit den Jahren schon etliche Beulen angesammelt hat. Aber er pfeift noch wie ein Junger.“
    Perry Clifton schmunzelte über Großvater Millers Angewohnheit, von toten Gegenständen so zu reden, als wären sie lebende Wesen. Er bedauerte es, den alten Jonas Miller nie kennengelernt zu haben. Das war sicher ein lustiger Kauz, wie manches in diesem Haus noch zeigte.
    Überall an den Wänden hingen gerahmt wie Gemälde getrocknete Blumen und Farne aus allen möglichen Gegenden der Erde. Seltene Orchideen waren genauso darunter wie ganz gewöhnliche Butterblumen, von einer Wand hing sogar eine gut zwei Meter lange Schlingpflanze aus irgendeinem Dschungel. Nur der Fischgeruch, der sich tatsächlich überall in diesem Haus festgesetzt hatte, ließ Perry Clifton leicht die Nase rümpfen. Während William Miller mit dem Teegeschirr hantierte, fragte der Detektiv: „Sie waren heute nacht also tot?“ Großvater Miller kicherte: „Mausetot, so tot, daß die anderen vor Schreck das Weite gesucht haben, als wäre der leibhaftige Klabautermann hinter ihnen her.“
    „Das hängt, nehme ich an, mit den ungewöhnlichen Vorgängen zusammen.“
    „So ist es.“ William Miller plazierte zwei große tönerne Teetassen auf den Tisch. „Halb elf bin ich rausgetuckert. Es war herrlicher Mondschein.“
    „Wieder mit Ihrem griechischen Freund?“
    „Wo denken Sie hin, allein natürlich. Ich wollte schon wieder umkehren, als ich die Lichtzeichen von See her sah. Aus der Silvercross-Bucht blinkte es zurück. Hehehe, ich kam mir vor wie in einem Schmugglerfilm. Ich muß zugeben, daß die Sache anfing, mir langsam Spaß zu machen. Kurz darauf hörte ich ein Motorboot auf die See hinausfahren. Aber nicht nur einmal.“
    „Also haben sie etwas an Land gebracht“, konstatierte Perry Clifton.
    „Genau. Was ich sicher weiß, ist, daß es sich bestimmt nicht um Pferde handelt. Als sie das dritte Mal hinausfuhren, entdeckten sie mein Boot. Sie fuhren erst eine Schleife und kamen dann näher ran. Ich legte mich auf den Boden, und sie glaubten wohl, daß es ein leeres Boot wäre. Können Sie sich vorstellen, wie mein altes Herz klopfte, als die Burschen plötzlich wieder auftauchten und auf mich zugeschossen kamen. Ich machte mich flach wie eine Flunder, aber sie entdeckten mich. Ich stellte mich tot, und Gott sei Dank glaubten sie es. Das Mondlicht muß mein Gesicht totenbleich gefärbt haben, die Burschen waren so erschrocken, daß sie nicht an Bord kamen. Der eine, er hieß Miles, befürchtete Scherereien mit der Polizei.“
    „Würden Sie die beiden wiedererkennen?“
    „Hmm“, William Miller kratzte sich verlegen hinter dem linken Ohr.
    „Das ist der schwache Punkt. Ich hab’ nicht gewagt, die Augen aufzumachen. Erst als sie ihren Motor wieder anließen, habe ich einen Millimeter Augenlid riskiert. Jetzt sind Sie sicherlich enttäuscht, Mister Clifton?“ Perry Clifton beeilte sich zu versichern: „Aber nein, Mister Miller. Sie haben ganz richtig gehandelt. Mit solch einem Gegenüber muß man vorsichtig sein. Sie haben sowieso schon eine Menge riskiert. Sie haben sich außerordentlich geschickt verhalten.“
    Bei diesem Kompliment funkelten Großvater Millers Augen erfreut. Er fühlte sich sichtlich geschmeichelt. Es fiel ihm noch etwas ein:
    „Das Boot sah aus wie das Kajütboot von Doktor Stanley.“
    „Und wer ist dieser Doktor Stanley?“
    „Er wohnt im Silvercross-Haus.“
    „Das ist aber merkwürdig.“ Perry Cliftons Argwohn war geweckt. „Silvercross-Haus, Silvercross-Bucht...“
    „Ja, ich weiß, was der Detektiv in Ihnen jetzt denkt. Das Silvercross-Haus liegt tatsächlich in unmittelbarer Nähe der Silvercross-Bucht. Aber Doktor Stanley dürfte in jeder Hinsicht über jeden Verdacht erhaben sein. Er war Dozent für Englisch. Jetzt schreibt er Bücher. Er lebt schon lange in dem früheren Schloß...“
    „Allein?“
    „Nein, mit seiner Tochter.“
    Perry Clifton faßte einen Entschluß: „Dann statten wir ihm doch einen Besuch ab. Vielleicht benutzt man sein Boot, ohne daß er es weiß.“
    „Das ist eine gute Idee. Und da nur die warme Suppe eine gute Suppe ist, gehen wir noch heute

Weitere Kostenlose Bücher