Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
Vom Netzwerk:
Handlung hinreißen lassen könnte.

    Doch Nardo atmete mehrmals ruhig durch und sprach dann mit ernster Stimme. »Chlorverbindungen können schwierig sein. Hab selbst bei einer Antiterroreinheit damit gearbeitet. Ein Typ hat bei einem anderen Experiment zufällig Stickstofftrichlorid hergestellt. Hat es nicht mal gemerkt. Hat sich den Daumen weggesprengt. Ist vielleicht nicht ganz so einfach, wie Sie glauben, die Chemikalien durch eine Sprinkleranlage laufen zu lassen. Kann mir nicht vorstellen, dass so was funktioniert.«
    »Sparen Sie sich die Mühe, Lieutenant. Sie können mich nicht reinlegen. Sie klingen, als würden Sie gerade eine Technik aus dem Polizeihandbuch ausprobieren. Was steht dort? ›Äußern Sie sich skeptisch über die Pläne des Kriminellen, stellen Sie seine Kompetenz in Frage, bringen Sie ihn dazu, weitere Details preiszugeben.‹ Sie brauchen keine Tricks, wenn Sie mehr erfahren wollen. Fragen Sie einfach, ich habe keine Geheimnisse. Damit Sie also Bescheid wissen, ich habe zwei mit Chlor und Ammoniak gefüllte Zweihundertliter-Druckbehälter, die mit einem Industriekompressor angetrieben werden und über das Hauptrohr direkt mit dem gesamten Sprinklersystem im Haus verbunden sind. Mit zwei verborgenen Ventilen in diesem Raum lassen sich die vierhundert Liter zusammenführen und verbinden sich zu einer riesigen Menge von hochkonzentriertem Gas. Sollte dabei tatsächlich Stickstofftrichlorid entstehen und eine Explosion auslösen, so würde ich das als angenehmen Nebeneffekt begrüßen, aber ich gebe mich auch zufrieden, wenn die gesamte Belegschaft der Polizei von Wycherly jämmerlich erstickt. Es wäre mir ein großes Vergnügen, wenn es sie alle zerfetzen würde, aber man muss sich bescheiden können. Das Bessere darf nicht zum Feind des Guten werden.«
    »Mr. Dermott, was soll das Ganze eigentlich?«

    Dermott legte die Stirn in Falten wie jemand, der ernsthaft über eine Frage nachsinnt. »Heute Morgen habe ich mit der Post eine Nachricht erhalten. ›Hör, was ich sage, und präg es dir ein: Nirgends wirst du mehr sicher sein.‹« Er zitierte die Worte aus Gurneys Gedicht mit übertriebener Theatralik und warf ihm dabei einen neugierigen Blick zu. »Leere Drohungen, doch ich muss mich bei dem Absender bedanken. Sie haben mich daran erinnert, wie kurz das Leben ist und dass man nie auf morgen verschieben soll, was man heute erledigen kann.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.« Nardo war noch immer voller Ernst.
    »Tun Sie einfach, was ich sage, dann werden Sie es schon verstehen.«
    »Schön, kein Problem. Ich will nur nicht, dass jemand unnötig zu Schaden kommt.«
    »Natürlich.« Das Wurmlächeln kam und verschwand wieder. »Das will doch niemand. Und um diesen unnötigen Schaden zu vermeiden, muss ich noch einmal darauf bestehen, dass Sie sich sofort auf den Boden legen.«
    Damit hatte sich der Kreis geschlossen. Was nun? Gurney forschte in Nardos Gesicht. Wie viel hatte sich der Lieutenant zusammengereimt? Hatte er bereits erraten, wer die Frau im Ohrensessel und wer der freundliche Psychopath mit der Whiskeyflasche und dem Revolver war?
    Zumindest war ihm nun klar, dass Dermott Officer Sissek ermordet hatte. Das erklärte vermutlich den Hass in seinen Augen, den er nicht völlig verhehlen konnte. Plötzlich war die Feder wieder gespannt. Nardo schien vollgepumpt mit Adrenalin und beherrscht von einer urtümlichen Erregung, die auf alle Konsequenzen pfiff und weit stärker war als jede Vernunft. Auch Dermott bemerkte es, doch statt ihn einzuschüchtern, schien ihn dieser Anblick
geradewegs zu beflügeln. Seine Hand schloss sich ein wenig fester um den Griff der Waffe, und zum ersten Mal blitzten hinter dem aalglatten Lächeln Zähne auf.
    Kurz bevor eine.38er-Patrone Nardos Leben und eine zweite seinem eigenen Leben ein Ende gesetzt hätte, durchbrach Gurney den tödlichen Kreislauf mit einem wütenden, kehligen Schrei. »Tun Sie, was er sagt! Legen Sie sich auf den Boden! Legen Sie sich sofort auf den verdammten Boden!«
    Die Wirkung war erstaunlich. Die Antagonisten erstarrten, und der verhängnisvollen Dynamik dieser Situation war die Spitze genommen.
    Die Tatsache, dass niemand tot war, bestärkte Gurney in dem Glauben, dass er auf dem richtigen Weg war, allerdings war er sich nicht sicher, wie dieser überhaupt aussah. Bei Nardo hatte er das Gefühl, dass der Mann sich verraten fühlte. Durch Dermotts unergründliche Oberfläche hingegen war höchstens zu erahnen, dass er

Weitere Kostenlose Bücher