Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number
gewesen, ihn zu überprüfen.«
»Nein - es heißt nur, dass Sie mich angelogen haben.
Ihre Behauptung, dass das ganze Haus durchsucht wurde, ist eine verdammte Lüge!«
Gurney machte sich auf eine Explosion gefasst, doch Nardo blieb überraschend ruhig. »Geben Sie mir den Schlüssel, Sir, dann schaue ich selbst nach.«
Dermott war nicht zu besänftigen. »Dann räumen Sie also ein, dass Sie das übersehen haben - dass das Haus nicht angemessen durchsucht worden ist!«
Gurney fragte sich, ob diese gehässige Hartnäckigkeit auf die Migräne, auf ein galliges Temperament oder auf das simple Umschlagen von Angst in Aggression zurückzuführen war.
Nardo wirkte fast unnatürlich gelassen. »Der Schlüssel, Sir?«
Dermott murmelte etwas vor sich hin - eine Beleidigung, nach seiner Miene zu schließen - und erhob sich mit gequälter Miene aus dem Sessel. Er nahm einen Schlüsselring aus der Schublade seines Nachttischs, löste den kleinsten Schlüssel ab und warf ihn aufs Bett. Mit ausdruckslosem Gesicht nahm ihn Nardo an sich und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Als seine Schritte die Treppe hinabpolterten, ließ Dermott den Schlüsselbund wieder in die Schublade fallen.
Doch dann stockte er. »Scheiße!«
Er nahm den Bund wieder heraus und begann, einen zweiten Schlüssel von dem festen kleinen Ring zu ziehen. Als er es geschafft hatte, steuerte er auf die Tür zu. Doch nach nur einem Schritt rutschte er auf dem Bettläufer aus und schlug sich am Türpfosten den Kopf an. Durch zusammengebissene Zähne drang ein erstickter Schrei, der Wut und Schmerz verriet.
»Alles in Ordnung, Sir?« Gurney trat auf ihn zu.
»Ja, alles bestens!« Giftig spuckte er die Worte hervor.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Dermott rang um Fassung. »Hier, der Schlüssel. Geben Sie ihn ihm. Es sind zwei Schlösser. Bei diesem ganzen verdammten Chaos…«
Gurney nahm den Schlüssel. »Geht es wieder?«
Erbost winkte Dermott ab. »Wenn sie gleich am Anfang zu mir gekommen wären, wie es sich gehört …« Er ließ den Satz unvollendet.
Nach einem letzten prüfenden Blick auf den mitgenommenen Mann wandte sich Gurney ab.
Wie in den meisten Vororthäusern verlief die Treppe zum Keller hinter der Haupttreppe. Sie war durch eine Tür zu erreichen, die Nardo offen gelassen hatte. Von unten schimmerte Licht herauf.
»Lieutenant?«
»Ja?«
Die Stimme schien ein Stück entfernt vom Fuß der rauen Holzstufen, daher stieg Gurney mit dem Schlüssel hinunter. Eine muffige Mischung aus Beton, Metallrohren, Holz und Staub schlug ihm entgegen. Der Geruch rief lebhafte Erinnerungen an den Wohnhauskeller seiner Kindheit in ihm wach: ein doppelt verschlossener Raum, in dem die Mieter unbenutzte Fahrräder, Kinderwagen und Kisten voller Gerümpel aufbewahrten; trübes Licht von einigen wenigen spinnwebverhangenen Glühbirnen; Schatten, die ihm stets einen eiskalten Schauer über den Rücken jagten.
Nardo stand vor einer grauen Stahltür am anderen Ende eines unfertigen Betonbereichs mit nackten Balken, wasserfleckigen Wänden, einem Boiler, zwei Öltanks, einem Ofen, zwei Feuerlöschern und einer Sprinkleranlage.
»Der Schlüssel passt nur in ein Schloss«, sagte er. »Aber es gibt auch noch ein Bolzenschloss. Was hat der
Kerl nur mit seiner Sicherheitsmanie? Und wo ist der andere Schlüssel, verdammt?«
Gurney schwenkte ihn. »Hat er vergessen. Sie sind schuld, sagt er.«
Mit einem erbitterten Knurren schnappte Nardo danach und steckte ihn ins Schloss. »Widerlicher kleiner Scheißer.« Er stieß die Tür auf. »Nicht zu fassen, dass ich extra hier runtersteige und… Was ist das denn?«
Vorsichtig trat Nardo, unmittelbar gefolgt von Gurney, durch die Tür. Was dahinter lag, war deutlich größer als ein Geräteraum. Zuerst begriffen sie gar nicht, was sie vor sich hatten.
51
Laientheater
Gurney hatte das Gefühl, dass sie sich in der Tür geirrt hatten. Aber auch das ergab keinen Sinn. Abgesehen vom Treppenzugang oben war dies die einzige Tür im Keller. Doch ein bloßer Geräteraum war das nicht.
Sie standen in der Ecke eines großen, sanft beleuchteten, konventionell eingerichteten Schlafzimmers mit dickem Teppichboden. Vor ihnen erhob sich ein schmales Doppelbett mit blumengemusterter Decke und Rüschenumrandung. Am Kopfbrett lehnten mehrere pralle Kissen mit den gleichen Rüschen. Am Fuß des Betts befand sich eine Zedernholztruhe. Darauf thronte ein großer Stoffvogel, der in einer Art Patchworktechnik zusammengesetzt war.
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