Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
Vom Netzwerk:
An der linken Wand zog etwas Merkwürdiges Gurneys Aufmerksamkeit auf sich: ein Fenster, das auf den ersten Blick eine Aussicht auf ein offenes Feld bot, sich dann jedoch als ein von hinten beleuchtetes Farbplakat entpuppte und wahrscheinlich dazu gedacht war, die klaustrophobische Atmosphäre des Raums aufzulockern. Gleichzeitig bemerkte er das leise Summen eines Luftzirkulationssystems.
    »Jetzt versteh ich gar nichts mehr«, murmelte Nardo.
    Gurney war kurz davor, ihm zuzustimmen, als ihm - weiter hinten an derselben Wand wie das falsche Fenster - ein kleines Tischchen auffiel. Darauf standen drei
schlichte schwarze Rahmen, wie man sie zum Ausstellen von Urkunden verwendete, im bernsteinfarbenen Licht einer schwachen Lampe. Er trat hinüber, um einen besseren Blick zu haben. In jedem Rahmen steckte die Fotokopie eines Schecks. Sie waren alle auf den Namen X. Arybdis und einen Betrag von 289,87 Dollar ausgestellt. Von links nach rechts stammten sie von Mark Mellery, Albert Schmitt und R. Kartch. Es waren die Schecks, deren Erhalt Dermott gemeldet und deren Originale er uneingelöst an die Absender zurückgeschickt hatte. Aber warum hatte er sich Kopien gemacht? Und, was noch beunruhigender war, warum hatte er sie eingerahmt? Ratlos nahm Gurney sie nacheinander in die Hand, um vielleicht auf einen Hinweis zu stoßen.
    Als er die Unterschrift auf dem dritten Scheck - R. Kartch - betrachtete, stellte sich plötzlich wieder dieses unbehagliche Gefühl ein, das ihn schon mehrfach bei dem Namen beschlichen hatte. Nur dass ihm diesmal auch der Grund dafür klar wurde.
    »Verdammt!« Wie hatte er nur so blind gegen diese offenkundige Diskrepanz sein können?
    Fast gleichzeitig gab Nardo ein leises Ächzen von sich. Gurney wandte sich zu ihm um und folgte der Richtung seines erschrockenen Blicks zur gegenüberliegenden Ecke des großen Raums. Kaum sichtbar im Schatten, außerhalb der Reichweite des schwachen Lichts, das die Tischlampe auf die eingerahmten Schecks warf, teilweise verdeckt von den Flügeln eines Ohrensessels und gut getarnt in einem Nachthemd von der gleichen graurosa Farbe wie die Polsterung saß eine gebrechliche Frau mit nach vorn hängendem Kopf.
    Nardo schnallte eine Taschenlampe vom Gürtel und richtete den Strahl auf sie.

    Gurney schätzte ihr Alter auf irgendwo zwischen fünfzig und siebzig. Die Haut war leichenblass. Die prachtvollen blonden Locken mussten eine Perücke sein. Blinzelnd hob sie den Kopf, so langsam, dass er sich kaum zu bewegen schien, und drehte ihn mit merkwürdig heliotropischer Anmut ins Licht.
    Nardo sah Gurney an, dann fixierte er wieder die Frau.
    »Ich muss pinkeln.« Ihre Stimme war hoch, krächzend, gebieterisch. Als sie stolz das Kinn hob, kam eine hässliche Narbe am Hals zum Vorschein.
    »Wer ist das, verdammt?«, flüsterte Nardo, als müsste Gurney es wissen.
    Tatsächlich wusste Gurney genau, wen er da vor sich hatte. Und ihm wurde klar, dass es ein furchtbarer Fehler gewesen war, Nardo den Schlüssel zu bringen.
    Rasch drehte er sich zur offenen Tür um. Doch dort hatte sich bereits Gregory Dermott postiert, in der einen Hand eine Flasche Four Roses, in der anderen einen Revolver Kaliber.38 Special. Keine Spur mehr von dem zornigen, launischen Mann mit Migräne. Die Augen waren nicht mehr zusammengekniffen, um Schmerz und Zorn vorzutäuschen, sondern zu ihrem Normalzustand zurückgekehrt: das rechte wach und entschlossen, das linke dunkel und gefühllos wie Blei.
    Auch Nardo wandte sich um. »Was …?« Die Frage blieb ihm im Hals stecken. Reglos starrte er nacheinander auf Dermotts Gesicht und Waffe.
    Dermott machte einen Schritt ins Zimmer, hakte den Fuß geschickt um die Tür und schlug sie hinter sich zu. Mit einem schweren metallischen Geräusch schnappte das Schloss ein. Ein leises, beunruhigendes Lächeln verlängerte den dünnen Strich seines Mundes.
    »Endlich allein«, bemerkte er im Ton eines Mannes,
der sich auf einen angenehmen Plausch freut. »So viel zu erledigen, so wenig Zeit.« Wie ein sich streckender Wurm dehnte sich das kalte Lächeln aus, ehe es sich gleich wieder zusammenzog. »Vorab möchte ich Ihnen versichern, wie sehr ich mich über Ihre Teilnahme an meinem kleinen Vorhaben freue. Ihre Mithilfe wird der Sache erst den richtigen Schliff geben. Doch zuerst noch ein kleines Detail. Lieutenant, darf ich Sie bitten, sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen?« Von einer Bitte konnte nicht die Rede sein.
    In Nardos Augen spiegelte

Weitere Kostenlose Bücher