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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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vielleicht verwirrt war und darum rang, sich das Ruder nicht aus der Hand nehmen zu lassen.
    »Ein äußerst kluger Rat von Ihrem Freund«, sagte Dermott zu Nardo. »Ich an Ihrer Stelle würde ihm sofort folgen. Detective Gurney besitzt einen scharfen Verstand. Ein interessanter Mann. Ein berühmter Mann. Man kann ja heutzutage mit einer einfachen Internetsuche so viel über einen Menschen in Erfahrung bringen. Man gibt einen Namen und eine Postleitzahl ein, und man glaubt gar nicht, was für Informationen da auf einmal auftauchen! Es gibt keine Privatsphäre mehr.«
    Dermotts Worte ließen eine Welle der Übelkeit in Gurney aufsteigen. Er klammerte sich an den Gedanken, dass Dermott darauf spezialisiert war, anderen einzureden, dass er mehr über sie wusste, als dies tatsächlich der Fall war.
Aber die Vorstellung, dass er durch seine eigene Nachlässigkeit Madeleine in Gefahr gebracht haben könnte, brannte wie Feuer in ihm.
    Widerstrebend ließ sich Nardo auf den Boden sinken, bis er schließlich die Position von jemandem einnahm, der einen Liegestütz machen will. Dermott wies ihn an, die Hände hinter dem Kopf zusammenzufalten, »wenn ich bitten darf«. Kurz schoss Gurney durch den Kopf, dass das die Vorbereitung zu einer sofortigen Hinrichtung sein mochte.
    Doch nachdem er den liegenden Lieutenant voller Genugtuung betrachtet hatte, stellte Dermott die Whiskeyflasche behutsam auf die Zedernholztruhe neben den großen Stoffvogel, in dem Gurney jetzt eine Gans erkannte. Mit eisigem Entsetzen erinnerte er sich an ein Detail der Laborberichte. Gänsedaunen. Dermott griff hinunter zu Nardos rechtem Fußgelenk und zog eine kleine Automatik aus einem Halfter, die er in seine Tasche schob. Wieder huschte das humorlose Grinsen über seinen Mund.
    »Zu wissen, wo alle Schusswaffen sind«, erklärte er mit tiefem Ernst, »ist der Schlüssel zur Vermeidung von Tragödien. So viele Waffen. So viele Waffen in den falschen Händen. Natürlich wird oft argumentiert, dass Menschen nicht von Waffen getötet werden, sondern von Menschen. Und Sie müssen zugeben, dass da etwas dran ist. Menschen werden wirklich von Menschen umgebracht. Aber wer könnte das besser beurteilen als Leute in Ihrem Beruf?«
    Zu der kurzen Liste seiner sicheren Kenntnisse über den Mörder fügte Gurney die Tatsache hinzu, dass diese schelmisch vorgetragenen Reden an sein unfreiwilliges Publikum - das höfliche Posieren und die bedrohliche Vornehmheit, die schon seine Briefe an die Opfer geprägt
hatten - vor allem dem Zweck dienten, seine Allmachtsfantasien anzufachen.
    Als hätte er Gurneys Gedanken gelesen, sprach Dermott ihn an wie ein devoter Saaldiener: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich dort hinten an die Wand zu setzen?« Er deutete auf einen Stuhl mit Sprossenlehne neben dem Lampentischchen mit den eingerahmten Schecks. Ohne zu zögern, ging Gurney hinüber und nahm Platz.
    Dann wandte sich Dermott mit eisigem Blick, der seinem aufmunternden Ton widersprach, erneut Nardo zu. »Gleich sind Sie wieder auf den Beinen. Wir müssen nur noch einen Teilnehmer an seinen Platz bringen. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.«
    Auf der für Gurney sichtbaren Seite von Nardos Gesicht mahlte der Kiefermuskel, und Röte breitete sich vom Hals bis hoch zur Wange aus.
    Mit schnellem Schritt strebte Dermott in die hintere Ecke des Raums und beugte sich über den Ohrensessel, um der dort sitzenden Frau etwas zuzuflüstern.
    Sie hob den Kopf. »Ich muss pinkeln.«
    »Eigentlich muss sie gar nicht, wissen Sie.« Dermott schaute nach hinten zu Gurney und Nardo. »Es ist nur eine Reizung durch den Katheter. Diesen Katheter hat sie schon seit vielen Jahren. Einerseits beschwerlich, doch andererseits auch ein echter Vorteil. Der Herr gibt, und der Herr nimmt. Alles hat eine Kehrseite. Das eine geht nicht ohne das andere. Gab’s da nicht so ein Lied?« Er hielt inne, wie um sich auf etwas zu besinnen, und fing an, eine bekannte, flotte Melodie zu summen. Den Revolver in der rechten Hand, half er der alten Frau aus dem Sessel. »Komm, meine Liebe, Zeit für die Heia.«
    Während er sie mit kleinen, stockenden Schritten zum Bett führte und ihr hineinhalf, bis sie an die aufrechten
Kissen gelehnt saß, wiederholte er mit der Stimme eines kleinen Jungen: »Heia machen, heia machen, heia machen, heia machen.«
    Er zielte mit der Waffe ungefähr zwischen Nardo und Gurney und ließ den Blick ohne Eile durch das Zimmer wandern, ohne etwas ins Auge zu fassen. Es war nicht zu

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