Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
Vom Netzwerk:
trotziger Eigensinn (den er in schlaflosen Nächten eher als emotionales Unvermögen bezeichnete) hatte sie in diese unglückselige Verbindung getrieben.
    Kyle sah aus wie seine Mutter und hatte ihren manipulativen Instinkt und materiellen Ehrgeiz geerbt. Und natürlich den Namen, auf dem sie bestanden hatte. Kyle. Damit hatte sich Gurney nie anfreunden können. Trotz seiner Intelligenz und seiner großen Erfolge in der Finanzwelt war Kyle für ihn immer noch so etwas wie ein blasierter hübscher Knabe aus einer Seifenoper. Außerdem erinnerte ihn Kyles Existenz ständig an seine gescheiterte Ehe und daran, dass er eine mächtige Strömung in
sich hatte, die er nicht verstand: der Teil von ihm, der Karen hatte heiraten wollen.
    Deprimiert von der Blindheit gegen seine eigenen Beweggründe und der negativen Reaktion auf seinen Sohn, schloss er die Augen.
    Das Telefon läutete. Voller Sorge, dass es noch mal Kyle sein könnte, nahm er ab.
    Mellery meldete sich. »Davey?«
    »Ja.«
    »Im Briefkasten war ein Umschlag. Mein Name und meine Adresse sind darauf gedruckt, aber keine Briefmarke und kein Poststempel. Muss persönlich zugestellt worden sein. Soll ich ihn öffnen?«
    »Fühlt er sich an, als wäre noch was anderes drin außer Papier?«
    »Was zum Beispiel?«
    »Irgendwas, das mehr ist als nur ein Brief.«
    »Nein, er ist ganz flach. Keine unbekannten Gegenstände, falls du das meinst. Soll ich ihn aufmachen?«
    »Ja, aber hör sofort auf, wenn du was anderes bemerkst als Papier.«
    »Okay. Er ist offen. Nur ein einfaches Blatt. Kein Briefkopf. Getippt.« Kurzes Schweigen folgte. »Was? Verdammt, wie …?«
    »Was ist?«
    »Das gibt’s doch nicht. Das ist völlig unmöglich …«
    »Lies vor.«
    Fassungslosigkeit lag in Mellerys Stimme. »Ich hinterlasse dir diese Nachricht für den Fall, dass ich dich telefonisch nicht erreiche. Wenn du noch immer nicht weißt, wer ich bin, denk einfach an die Zahl neunzehn. Erinnert dich das an jemand? Und vergiss nicht, ich seh dich im November, wenn nicht, dann im Dezember.«

    »Das ist alles?«
    »Das ist alles. Genauso steht es da: ›Denk einfach an die Zahl neunzehn.‹ Verdammt, wie hat er das gemacht? Das ist doch unmöglich!«
    »Das ist der ganze Text?«
    »Ja, aber was ich sagen will, ist … ich versteh überhaupt nichts mehr … ich meine … das kann doch nicht sein … Mein Gott, Davey, was wird da gespielt?«
    »Ich weiß es nicht. Noch nicht. Aber wir werden es rausfinden.«
    Irgendwo hatte es Klick gemacht - nicht die Lösung, davon war er noch weit entfernt, doch in ihm hatte sich etwas bewegt. Jetzt war er hundertprozentig entschlossen, die Herausforderung anzunehmen.
    Plötzlich bemerkte er Madeleine, die in der Tür zum Arbeitszimmer stand. Und er wusste, sie hatte es gesehen, das helle Licht in seinen Augen, das Feuer seiner Besessenheit.
     
    Das neue Zahlenrätsel und der damit verbundene Adrenalinausstoß hielten Gurney bis lang nach Mitternacht wach, obwohl er schon seit zehn im Bett lag. Rastlos wälzte er sich hin und her, während sein Verstand mit dem Problem rang; wie ein Mann im Traum, der seinen Schlüssel nicht finden kann und immer wieder das Haus umkreist, um an allen verschlossenen Türen und Fenstern zu rütteln.
    Auf einmal schmeckte er den Muskat aus der Kürbissuppe vom Abendessen, und das verstärkte noch das Gefühl eines bösen Traums.
    Wenn du noch immer nicht weißt, wer ich bin, denk einfach an die Zahl neunzehn. Und genau das war die Zahl, die Mellery eingefallen war. Die Zahl, die ihm eingefallen
war, bevor er den Brief öffnete. Unmöglich. Aber es war geschehen.
    Der Muskatgeschmack wurde immer schlimmer. Dreimal stand er auf, um Wasser zu trinken, aber das Aroma wollte nicht verschwinden. Und dann kam noch die Butter dazu. Butter und Muskat. Madeleine gab immer reichlich Butter in die Kürbissuppe. Einmal hatte er das sogar gegenüber ihrem Therapeuten erwähnt. Ihrem ehemaligen Therapeuten. Eigentlich waren sie nur zweimal hingegangen, damals, als sie sich über die Frage stritten, ob er sich pensionieren lassen sollte, in der Annahme (die sich bald als irrig erwies), dass ein Dritter vielleicht mehr Klarheit in ihre Überlegungen bringen könnte. Angestrengt versuchte er sich zu erinnern, in welchem Kontext das Suppenthema aufgekommen war und was ihn zu dieser kleinlichen Anmerkung bewegt hatte.
    Es war die Sitzung, bei der Madeleine über ihn gesprochen hatte, als wäre er gar nicht anwesend. Zuerst hatte sie davon

Weitere Kostenlose Bücher