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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Wenn man sich über den Tathergang zu schnell sicher war, konnte man böse Fehler begehen, aber man konnte auch kostbare Zeit und Arbeitskraft damit vergeuden, einen Quadratkilometer Gelände nach nicht näher bestimmten Gegenständen zu durchkämmen.
    Gute Kriminalermittler - und bestimmt auch der Detective in der Tür - beherrschten eine Art unbewusstes Hin- und Herspringen zwischen induktivem und deduktivem Denken. Was sehe ich hier, und auf welche Ereignisabfolge deuten diese Daten? Angenommen, dieses Szenario ist stichhaltig, auf welche weiteren Indizien müsste ich dann stoßen und wo sollte ich danach suchen?
    Wie Gurney durch viel Ausprobieren herausgefunden hatte, war entscheidend, dass man die richtige Balance zwischen Beobachtung und Intuition wahrte. Die größte Gefahr war das Ego. Ein Ermittlungsleiter, der unentschlossen blieb, was die mögliche Erklärung der Daten am Tatort anging, verschwendete vielleicht Zeit, weil er sein Team nicht früh genug in eine bestimmte Richtung lenkte, aber jemand, der schon beim ersten Blick wusste und aggressiv verkündete, was in dem blutbespritzten Zimmer passiert war, und alle Kräfte aufbot, um seine These zu beweisen, beschwor möglicherweise sehr viel ernstere Probleme herauf als Zeitvergeudung.

    Gurney fragte sich, welcher Ansatz hier wohl vorherrschte.
    Hinter der Absperrung um die Blutlache erteilte Jack Hardwick zwei ernsten jungen Männern Anweisungen. Einer war der Pseudo-Cruise, der Gurney hergeführt hatte, der andere sah aus wie sein Zwilling. In den neun Jahren seit ihrer Zusammenarbeit an dem berüchtigten Piggert-Fall schien Hardwick um die doppelte Zahl von Jahren gealtert zu sein. Das Gesicht war röter und feister, das Haar spärlicher, und die Stimme hatte eine Rauheit, die von zu viel Tabak und Tequila zeugte.
    »Insgesamt sind es zwanzig Gäste«, sagte er zu den Top-Gun -Doubles. »Jeder von euch übernimmt neun. Vorläufige Aussagen, Namen, Adressen, Telefonnummern. Alibis. Den Mafioso und den Chiropraktiker überlasst ihr mir. Ich rede auch mit der Witwe. Um vier meldet ihr euch bei mir.«
    Der weitere Wortwechsel war so leise, dass Gurney nichts davon hörte außer Hardwicks knarzendem Lachen. Nach einer abschließenden Bemerkung deutete der Mann, der ihn herbegleitet hatte, mit dem Kopf in Gurneys Richtung. Dann brach das Duo zum Hauptgebäude auf.
    Als sie außer Sichtweite waren, drehte sich Hardwick um und fixierte Gurney mit einer Miene zwischen Grinsen und Grimasse. In seinen sonderbaren blauen Augen, die früher so skeptisch geleuchtet hatten, lag ein müder Zynismus.
    »Na so was«, krächzte er. Er umrundete den abgesperrten Bereich. »Wenn das nicht Professor Dave persönlich ist.«
    »Nur ein bescheidener Ausbilder.« Gurney fragte sich, was Hardwick sonst noch über seine Kriminologiekurse
an der State University nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst in Erfahrung gebracht hatte.
    »Bleib mir vom Hals mit dieser Bescheidenheitskacke. Du bist ein Star, mein Junge, das weißt du genau.«
    Ohne große Wärme schüttelten sie sich die Hand. Gurney hatte das Gefühl, dass das Gefrotzel des früheren Hardwick zu etwas wesentlich Giftigerem geronnen war.
    »Der Todesort steht wohl außer Zweifel.« Gurney nickte in Richtung des Blutflecks. Er wollte zur Sache kommen, Hardwick kurz die Vorgeschichte schildern und dann gleich wieder verschwinden.
    »Zweifel gibt es bei allem«, verkündete Hardwick. »Der Tod und der Zweifel sind die einzigen zwei Gewissheiten im Leben.« Als Gurney nicht reagierte, fuhr er fort: »Aber ich gebe zu, dass beim Todesort weniger Zweifel bestehen als bei einigen anderen Dingen hier. Das reinste Irrenhaus. Die Leute hier schwärmen von dem Opfer, als wäre er dieser Dipdepp Choparsch aus dem Fernsehen.«
    »Du meinst Deepak Chopra?«
    »Genau, der Fickdepp oder wie er heißt. Mann, ich fass es nicht!«
    Obwohl es in ihm schon zu brodeln begann, blieb Gurney stumm.
    »Wozu strömen die Leute an so einen Ort? Damit ihnen so ein New-Age-Arschloch mit Rolls-Royce was über den Sinn des Lebens vorquatscht?« Hardwick schüttelte den Kopf über die Dummheit seiner Mitmenschen und stierte dabei die Rückseite des Hauses an, als würde die Architektur aus dem achtzehnten Jahrhundert eine erhebliche Mitschuld treffen.
    Schließlich konnte Gurney seine Gereiztheit nicht mehr bezähmen. »Meines Wissens war das Opfer kein Arschloch.«

    »Das hab ich auch nicht gesagt.«
    »Ich hatte schon den Eindruck.«
    »Das

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