Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number
Männer rumstehen und sich im Schritt kratzen. Und zwar ausgiebig. Keine Rede von Graben oder Teeren. Zumindest mir ist nichts aufgefallen. Ein Haufen von unfähigen Flegeln, die die Straße blockieren.« Über den Rand einer schief sitzenden Lesebrille musterte er Rodriguez. »Vielleicht sollte die State Police da mal was unternehmen, Captain.«
Rodriguez reagierte mit dem müden Lächeln eines ernsthaften Mannes, der es mit Idioten zu tun hat. »Guten Tag, Dr. Thrasher.«
Der Gerichtsmediziner stellte seine Aktentasche und den Kaffee auf den Tisch vor dem letzten unbesetzten Platz. Sein Blick huschte durch das Zimmer und blieb am Bezirksstaatsanwalt hängen.
»Hallo, Sheridan.« Er klang erstaunt. »Diesmal schalten Sie sich ja sehr früh ein.«
»Haben Sie interessante Informationen für uns, Walter?«
»Ja, in der Tat. Zumindest eine kleine Überraschung.«
So einfach wollte sich Rodriguez das Ruder nicht aus der Hand reißen lassen. »Also, Leute, machen wir das Beste aus der Unpünktlichkeit von Dr. Thrasher. Inzwischen haben wir eine Zusammenfassung der Ereignisse vor und nach der Entdeckung der Leiche gehört. Zuletzt war meines Wissens davon die Rede, dass der Gerichtsmediziner am Tatort eintraf. Nun, auch hier ist er gerade angekommen, da können wir seinen Bericht doch gleich in das Gesamtbild einfügen.«
»Hervorragende Idee«, bemerkte Kline, ohne Thrasher aus den Augen zu lassen.
Der Gerichtsmediziner legte los, als hätte er ohnehin vorgehabt, gleich nach seiner Ankunft mit seinem Vortrag zu beginnen.
»Den umfassenden schriftlichen Bericht erhalten Sie in einer Woche, Gentlemen, heute kriegen Sie nur ein Skelett.«
Der kleine Witz, falls es einer war, blieb unbeachtet. Vielleicht war er so oft wiederholt worden, dass das Publikum bereits taub dafür war.
»Interessantes Tötungsdelikt.« Thrasher griff nach seinem Kaffeebecher. Nach einem langen, nachdenklichen Schluck stellte er ihn wieder auf den Tisch. Gurney lächelte. Dieser zerzauste Kerl mit dem rötlich blonden Haar hatte ein echtes Gespür für Dramatik. »Die Sache verhält sich anders, als es zunächst den Anschein hatte.«
Er hielt inne, bis die Spannung zu explodieren drohte.
»Die Erstuntersuchung der Leiche am Tatort führte zu der Hypothese, dass die Todesursache das Durchtrennen der Halsschlagader durch mehrere Schnitt- und Stichverletzungen ist, die dem Opfer mit einer später in der Nähe entdeckten zerbrochenen Flasche zugefügt wurden. Doch die ersten Autopsieergebnisse lassen darauf schließen, dass die Todesursache das Durchtrennen der Halsschlagader mit einem aus kurzer Distanz in den Hals abgegebenen Schuss ist. Die Wunden mit der zerbrochenen Flasche wurden dem Opfer erst anschließend beigebracht, als es schon auf dem Boden lag. Es sind mindestens vierzehn Stichverletzungen, möglicherweise bis zu zwanzig. Mehrere davon haben Glasscherben im Halsgewebe hinterlassen, und vier haben die Halsmuskeln und Luftröhre völlig durchschnitten und reichen bis zum Nacken.«
Am Tisch herrschte Schweigen, begleitet von ratlosen bis neugierigen Mienen.
Gewichtig legte Rodriguez die Fingerspitzen aneinander und ergriff das Wort. »Also erschossen?«
»Erschossen.« Thrasher machte es sichtlich Spaß, Unvorhergesehenes zu enthüllen.
Mit vorwurfsvollem Ausdruck wandte sich Rodriguez an Hardwick. »Wie kommt es, dass keiner Ihrer Zeugen was davon mitbekommen hat? Sie haben mir doch von mindestens zwanzig Gästen in diesem Institut erzählt. Und überhaupt, wieso hat seine Frau den Schuss nicht gehört?«
»Sie hat ihn gehört.«
»Was? Wie lange wissen Sie das schon? Warum hab ich nichts davon erfahren?«
»Sie hat ihn gehört, wusste es aber nicht«, erwiderte Hardwick. »Sie sagt, sie hat ein gedämpftes Klatschen gehört. Was das zu bedeuten hatte, war ihr nicht klar, und auch mir ist es gerade erst klar geworden.«
»Gedämpft?« Rodriguez starrte ihn ungläubig an. »Wollen Sie mir weismachen, dass das Opfer mit einem Schalldämpfer erschossen wurde?«
Sheridan Kline wirkte auf einmal hellwach.
»Das ist die Erklärung!«, rief Thrasher.
»Erklärung wofür?«, fragten Rodriguez und Hardwick gleichzeitig.
Thrashers Augen funkelten triumphierend. »Für die Spuren von Gänsedaunen in der Wunde.«
»Und in den Blutproben aus der Umgebung der Leiche.« Die Stimme der Rothaarigen war so geschlechtsunspezifisch wie ihr Anzug.
Thrasher nickte. »Natürlich, dort müssen sie auch sein.«
»Das klingt alles sehr
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