Die Hassliste: Roman (German Edition)
Einer, der locker dein Leben ruinieren kann, wenn du nicht aufpasst.
Im Hintergrund hörte ich Gemurmel. »Ich muss los«, sagte Nick. »Wir müssen Jeremys Kind in die Krippe bringen. Seine Freundin nervt mal wieder total rum. Dann also bis später in der Cafeteria, ja?«
»Klar. Ich sag Stacey, sie soll uns zwei Plätze freihalten.«
»Super.«
»Hab dich lieb.«
»Ich dich auch.«
Lächelnd legte ich auf. Vielleicht war alles, was ihn in letzter Zeit belastet hatte, wieder okay. Vielleicht hatte er die Nase voll von Jeremy und Jeremys Kind, von Jeremys ewigen Cartoons und Jeremys Joints. Vielleicht konnte ich ihn dazu überreden, dass wir in der Mittagspause nicht in der Schule aßen, sondern auf ein Sandwich zu Casey’s auf der anderen Seite der Schnellstraße gingen. Nur wir beide. So wie früher. Ich sah uns schon auf der Fahrbahnbegrenzung sitzen, die Zwiebeln von unseren Sandwiches schubsen und uns gegenseitig alberne kleine Quizfragen zum Thema Musik stellen, die Schultern eng aneinandergeschmiegt und mit baumelnden Beinen.
Ohne im Bad das Licht anzumachen, sprang ich unter die Dusche und ließ mich im Dunkeln vom Wasserdampf einhüllen. Ich hoffte, dass Nick mir heute irgendwas mitbringen würde. Darin war er ziemlich gut – mit einer Rose in der Schule aufzukreuzen, die er an der Tankstelle geholt hatte, mir zwischen den Unterrichtsstunden einen Schokoriegel ins Schließfach zu schieben oder mir einen Zettel in den Ordner zu schmuggeln. Wenn er wollte, konnte Nick wahnsinnig romantisch sein.
Ich stieg aus der Dusche und trocknete mich ab. Ich gab mir besonders viel Mühe mit meinen Haaren und dem Eyeliner und zog einen schwarzen Jeans-Minirock mit lauter Rissen an und dazu meine Lieblingsstrumpfhose, die schwarz-weiß gestreifte mit dem Loch am Knie. Dann kamen noch Socken und ein Paar Leinenschuhe und schließlich schnappte ich mir meinen Rucksack.
Frankie, mein kleiner Bruder, saß am Küchentisch und aß sein Müsli. Er hatte seine Haare so gegelt, dass sie stacheligin alle Richtungen abstanden, was ihn aussehen ließ wie eins von diesen Kids aus der Werbung – der Skatertyp mit den hundertprozentig passenden Haaren. Frankie war vierzehn und fand sich wahnsinnig toll. Er hielt sich für einen Modegott und war immer so stylish angezogen, dass er wirkte wie aus dem Katalog. Wir verstanden uns gut, auch wenn wir mit ziemlich unterschiedlichen Leuten rumhingen und unsere Vorstellungen von Coolness komplett anders waren. Manchmal nervte er, aber alles in allem war Frankie ziemlich okay als kleiner Bruder.
Sein Geschichtsbuch lag aufgeschlagen neben ihm auf dem Tisch und er kritzelte wie ein Irrer auf einem Zettel herum. Nur ab und zu machte er kurz Pause, um sich noch einen Löffel voll in den Mund zu schieben.
»Willst du in einem Werbeclip für Haargel auftreten oder was?«, fragte ich und stieß im Vorbeigehen mit der Hüfte gegen seinen Stuhl.
»Wieso?«, sagte er und fuhr sich mit der Hand über seine Stachelhaare. »Die Mädels fahren drauf ab.«
Ich verdrehte die Augen und grinste. »Na klar. Ist Dad schon weg?«
Er schob sich noch eine Ladung Müsli rein und schrieb noch was auf seinen Zettel. »Ja«, nuschelte er mit vollem Mund, »der ist vor ein paar Minuten los.«
Ich holte mir eine Waffel aus dem Kühlschrank und warf sie in den Toaster. »Ich seh schon, die Mädels haben dich gestern so beansprucht, dass du die Hausaufgaben nicht mehr geschafft hast, was?«, nahm ich ihn hoch und beugte mich über ihn, um zu sehen, was er da schrieb. »Sag mal, was hielten eigentlich die Frauen zur … Bürgerkriegszeit von … zu viel Haargel?«
»Lass mich zufrieden«, sagte er und schubste mich mit dem Ellbogen. »Ich hab noch bis Mitternacht mit Tina gequatscht. Ich muss das hier jetzt durchziehen. Mom kriegt einen Anfall, wenn ich in Geschichte schon wieder ’ne Vier schreibe. Wahrscheinlich knöpft sie mir dann mein Handy ab.«
»Schon gut«, sagte ich. »Mach du mal in Ruhe weiter. Ich wäre untröstlich, wenn diese überaus fesselnde Telefonromanze zwischen dir und Tina durch mich Schaden nähme.« Die Waffel sprang aus dem Toaster. Ich schnappte sie mir und biss hinein, ohne irgendwas draufzutun. »Apropos Mom – fährt sie dich heute wieder in die Schule?«
Er nickte. Mom brachte Frankie fast jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit in die Schule. So hatte er morgens immer ein paar Minuten mehr Zeit, was bestimmt angenehm war. Aber wenn ich mitfahren würde, gäbe es nicht mal
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