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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Brown
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wieder der Gedanke, dass es Jeremy gewesen sein muss, der Nick dazu brachte, in die Schule zu gehen und Leute abzuknallen. Ich war es nicht. Jeremy ist der Böse. Er ist es gewesen.
    Ich nahm also das Handy und schob es unter meine Bettdecke, nachdem mir kurz zuvor beim Wachwerden gedämmert hatte, dass ich auch an diesem Tag wieder in die Schule musste.
    »Hallo?«
    »Süße.« Nicks Stimme klang dünn und komplett überdreht, aber damals dachte ich, es läge nur daran, dass es noch so früh war und Nick inzwischen nicht mehr dran gewöhnt war, um diese Uhrzeit aufzustehen.
    »Hey«, flüsterte ich. »Gehst du heute zur Abwechslung mal wieder in die Schule?«
    Er gluckste vor Lachen, total gut gelaunt. »Mach ich. Jeremy fährt mich hin.«
    Ich setzte mich auf. »Super. Stacey hat gestern nach dir gefragt. Sie sagt, sie hätte dich und Jeremy Richtung Blue Lake fahren sehen.« Ich ließ die Frage unausgesprochen in der Luft hängen.
    »Ja.« Ich hörte sein Feuerzeug klicken und dann das Knistern von verglühendem Zigarettenpapier. Dann blies er den Rauch aus. »Wir hatten da was zu tun.«
    »Und zwar?«
    Er gab keine Antwort. Ich hörte nur das knisternde Papier und wie er ausatmete.
    Enttäuschung machte sich in mir breit. Er wollte es mir nicht erzählen. Ich hasste es, wenn er so war. Früher hatte er nie Geheimnisse vor mir gehabt. Wir hatten uns immer alles erzählt, auch die schweren Sachen, über die Ehen von unsern Eltern oder die fiesen Namen, die uns die andern in der Schule hinterherriefen. Und dass wir uns manchmal wie ein Nichts fühlten. Noch weniger als ein Nichts.
    Beinahe hätte ich nachgehakt und gesagt, dass ich ein Recht hätte zu erfahren, was er und Jeremy da getrieben hatten, aber dann wechselte ich doch lieber das Thema. Wenn ich die Gelegenheit hatte, ihn endlich wieder zu sehen, wollte ich die Zeit nicht mit Streiten verschwenden. »He, ich hab was Neues für die Liste«, sagte ich.
    »Und zwar?«
    Ich rieb mir die Augenwinkel. »Leute, die sich andauernd für alles entschuldigen. Hamburger-Reklame. Und Jessica Campbell.« Ich war kurz davor, auch Jeremy zu nennen, aber dann ließ ich es lieber.
    »Diese dürre Blondine, die mit Jake Diehl zusammen ist?«
    »Genau die. Aber Jake ist in Ordnung. Okay, er spielt manchmal den Macker, aber er ist lang nicht so nervig wie sie. Gestern in Gesundheitskunde bin ich total weggedriftet und hab dabei wohl in ihre Richtung geguckt. Da starrt sie mich auf einmal an und sagt: ›He, was glotzt du so, Todesschwester?‹ Total verächtlich sagt sie das und verdreht die Augen und dann sagt sie: ›Kümmer dich um deinen eigenen Kram‹, und ich: ›Weißt du, es interessiert mich sowieso einen Scheiß, was du machst‹, und dann sie so: ›Musst du nicht bald mal wieder auf ’ne Beerdigung?‹ Da haben ihre bescheuerten Freunde dann laut losgelacht, als wär sie der Star in einer Comedy-Show. So eine miese Schlampe.«
    »Ja, stimmt.« Er hustete. Ich hörte Papier beim Umblättern rascheln und konnte mir vorstellen, wie sich Nick auf seiner Matratze lümmelte und etwas in unser gemeinsames rotes Spiralheft schrieb. »Am besten wär’s, wenn diese blonden Tussen einfach alle verschwinden würden.«
    Damals hab ich gelacht. Der Satz war witzig. Ich fand, Nick hatte recht. Zumindest sagte ich ihm das. Und ich dachte ja wirklich, ich wäre der gleichen Meinung wie er. Ich hatte auch kein schlechtes Gewissen deshalb, denn schließlich hatten sie es verdient.
Sie
waren die Bösen.
    »Stimmt, die sollten alle von den BMWs ihrer Eltern über den Haufen gefahren werden.«
    »Dieses eine Mädel da, diese Chelle, schreib ich übrigens auch auf die Liste.«
    »Volltreffer. Die macht sich dermaßen wichtig, bloß weil sie in die erste Mannschaft aufgenommen worden ist. Die hat doch einen Schuss.«
    »Stimmt. Tja.«
    Einen Moment lang waren wir beide still. Ich habe keine Ahnung, was Nick dachte. Damals habe ich geglaubt, sein Schweigen wäre eine Art stilles Einverständnis mit mir, als würden wir gerade auf einer Ebene miteinander reden, die keine Worte brauchte, irgendwas in der Art. Aber inzwischen weiß ich, dass das nur eine dieser ungedeckten Schlussfolgerungen gewesen ist, von denen mir Dr.   Hieler dauernd erzählt. Solche Schlussfolgerungen sind was ganz Normales – viele Leute glauben, sie wüssten, was im Kopf von einem anderen Menschen vorgeht. Aber das ist unmöglich. Und es doch für möglich zu halten, ist ein Fehler. Ein wirklich großer Fehler.

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