Die Haushälterin
unter seinem Bett verstaubten, und die ein wenig zu kurze Hose meines Konfirmandenanzugs.
Ich hatte mit Adelheid gerechnet oder etwas noch Peinlicherem, aber sie hieß einfach Ada. So stand es in ihrem Ausweis, den sie mir unbedingt zeigen wollte - »Zu deiner Sicherheit«, wie sie sagte -, und ich sah hin, obwohl ich ihr vom ersten Moment an vertraute. Ada Malic, geboren in Lublin am 28.04.1972. Dreiundzwanzig, dachte ich, ein Alter, in dem man alles Verrückte wahrscheinlich schon einmal getan hatte.
Sie ging mit mir durchs Haus, sah sich um und stellte Fragen. Ich dachte an dieses neu gebaute Viertel an der A25. Von meinem Vater wußte ich, daß dort Polen und Russen und Flüchtlinge aus den zerstörten Städten Jugoslawiens lebten. Wenn wir Richtung Hafen fuhren, sah ich die glänzenden Dächer der Häuser, Kinder, die Fußball spielten, und Frauen mit Einkaufstüten. »Emigranten«, sagte mein Vater, ein Wort, das häßlich klang, obwohl beim Vorbeifahren alles ganz normal aussah.
Ich traute mich nicht, Ada zu fragen, ob sie auch in dem Viertel wohnte. Sie sah in den Schrank unter der Spüle, nahm die grauen Lappen heraus und warf sie in den Mülleimer. Schon am Vorabend hatte ich die Blässe ihrer Haut bemerkt, das Schimmern der feinen Adern auf ihrem Handrücken, türkis wie die Küste Griechenlands in unserer Fernsehzeitschrift.
»Soll ich frische Feudel besorgen? Irgendwas gegen den Kalk? Welche Teller spült ihr von Hand?«
Einmal die Woche saugte ich Staub, putzte die Küche und das Bad. Bei diesen Dingen brauchte ich im Grunde keine Hilfe.
»Heute ist nichts zu tun«, sagte ich. »Wir könnten Fernsehen gucken oder ein bißchen Spazierengehen.«
Jogger hatten im Sachsenwald ein weißes Wildschwein gesichtet; das hatte ich am Morgen im Lokalteil der Zeitung gelesen. Ich wollte mit ihr auf den Hochsitz bei den Karpfenteichen steigen, Brote essen und Ausschau halten.
Sie runzelte die Stirn.
»Wie wär's denn mit den Fenstern?«
Am Nachmittag, wenn die Sonne ins Wohnzimmer strahlte, erschienen die Spuren des Regens der letzten Jahre auf den Scheiben, und an der Stelle, wo im März dieser junge Fasan aufgeprallt war, schimmerten Reste eines Flecks.
»Das mache ich schon«, sagte ich.
»Hör mal«, sagte sie. »Wenn dein Vater nach Hause kommt, über den speckigen Boden geht, durch das schmierige Fenster guckt und eine Prise Staub inhaliert, wird er sich fragen, warum du so dumm warst, gerade mir diesen Job zu geben. Und was soll deine Mutter denken!«
Fast berührte meine Nase ihren hellbraunen Gürtel, als ich hinter ihr stand, um sie auffangen zu können. Sie streckte sich auf der höchsten Stufe der rostigen Trittleiter und polierte die Scheibe mit einem alten Ledertuch. Oberhalb ihres Gürtels kamen ein Streifen Haut und dieser spitze Knochen zum Vorschein - »Darmbeinstachel«, ich kannte den Namen aus dem Biologieunterricht. Das schaumige Wasser im Eimer färbte sich dunkelgrau. Sie zupfte ein Spinnennetz von der Tapete, tauchte die Finger ins Wasser und wischte sie an ihrer Bluse ab.
»Ich hol dir ein Handtuch«, sagte ich.
Eine Stunde später schloß Ada das letzte Fenster, stieg von der Leiter und trank ein Glas Wasser. Die Scheiben schienen verschwunden zu sein; man sah keine Schlieren mehr, keine Spritzer, nur noch die Spatzen auf der Terrasse, den Fluß, die Sonne und den Himmel.
»Willst du was essen?« fragte sie.
»Ich kann was kochen«, sagte ich. In der Gefriertruhe lagen noch zwei Beutel Krabben und ein Coq au vin.
»Du darfst den Tisch decken«, sagte sie.
Sie hatte Hackfleisch mitgebracht. Ich holte Kartoffeln aus dem Keller, stellte zwei Teller auf den Tisch, legte Messer und Gabeln dazu, zündete eine Kerze an, blies sie wieder aus und stellte sie auf das Fenstersims.
Kartoffelsalat mit Frikadellen war mein Lieblingsgericht, obwohl ich es selten aß. Mein Vater hatte in den Jahren vor seiner Entlassung begonnen, Zeitschriften für Gourmets zu lesen und in Kählers Feinkostladen französische Tiefkühlprodukte zu kaufen.
»Brot?«
»Gern.«
»Was machst du eigentlich sonst, ich meine, außer der Arbeit?«
Sie fuhr sich mit der Kuppe ihres Daumens über die Lippen. Ich hatte die Servietten vergessen.
»Ich studiere Philologie.« Sie legte ihr Messer neben den Teller. »Und ein bißchen Wirtschaft. Genauer gesagt, ich habe studiert. Jetzt mache ich Übersetzungen.«
Sie sah an mir vorbei zur Wand, wo die Vierländer Kacheln in ihren Messingrahmen hingen.
»Wenn ich
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