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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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nicht gerade putze.«
    Für einen Moment glaubte ich, sie sei verärgert oder genervt, und ich hatte Angst, es könne wegen des Jobs sein. »Putzfrau« war dafür kein schönes Wort, aber auch kein falsches.
    »Ich übersetze Bedienungshandbücher für Videorecorder und Fernseher, die Philips nach Warschau exportiert. Und ich übersetze Gedichte.«
    »Gedichte«, sagte ich. »Fröhliche oder traurige?«
    »Eher traurig. Aber auf eine kluge Art, verstehst du? Jemand aus Lublin hat sie geschrieben. Ein kleiner Verlag im Schanzenviertel wird sie vielleicht drucken. Ich schreibe die Rohfassungen und gebe sie einer Freundin, die alles poliert und schleift und mein furchtbares Deutsch verbessert.«
    »Dein Deutsch ist gut«, sagte ich.
    Sie lachte, schob eine Gabel Kartoffelsalat in den Mund und kaute. Dann schwieg sie.
    Sie schwieg noch, während sie abwusch. Ich durfte ihr nicht dabei helfen, nicht mal beim Einsortieren der Teller, und ich ärgerte mich darüber, daß ich Fragen gestellt hatte, die ihr den Nachmittag verdarben.
    »Ich muß los«, sagte sie schließlich.
    »Wenn du willst, kannst du zum Arbeiten hierbleiben«, sagte ich.
    Sie nahm ihre Tasche von der Garderobe.
    »Ich störe nicht«, sagte ich. »Bestimmt.«
    Auf der Türschwelle blieb sie stehen. Sie drehte sich um und sah mich an.
    »Woher hast du das?« sagte sie. »Diese Freundlichkeit.«
    Ich dachte, sie würde sagen: bestimmt von deinem Vater, aber sie beugte sich vor und gab mir einen Kuß auf die Wange, den ich noch spürte, als das Geräusch des Busses in der Ferne verebbte.
    Ich ging ins Bad und schloß ab - die Badezimmertür schloß ich immer ab, selbst wenn mein Vater fort war. Ich steckte den Stöpsel in die Wanne, drehte die Wasserhähne auf und begann, mich auszuziehen.
    Das Badewasser war heiß. Ich setzte mich und wartete mit angehaltenem Atem. Mein Vater hatte einmal die Geschichte seines Onkels erzählt, eines jungen Offiziers auf der Cap San Diego, der in Buenos Aires bei einem heißen Vollbad gestorben war. Ich schrubbte mir mit der Bürste den Rücken, rieb mit einem Waschlappen, bis die oberste Schicht meiner Haut in Krümeln auf dem Wasser schwamm, und zählte noch einmal alle Frauen, die ich nackt gesehen hatte.
    Meine Mutter natürlich, beinahe jeden Tag.
    Meine Großmutter in ihrer Dusche, vor der sie später ausgerutscht war. Ich hatte das Plätschern des Wassers gehört, durchs Schlüsselloch geguckt und gesehen, wie sie ihr graues Geschlecht wusch; die Haare waren lang und tropften und hingen herunter wie gezwirbelt.
    Dann, beim Sport, Theresa. Ich hatte die Tüte mit meinen Turnschuhen in der Halle vergessen. Herr Grundhoff hatte den Umkleideraum für Jungen schon abgeschlossen, ich war durch die Mädchenkabine gegangen. Sie hatte sich umgedreht und geschrien. Ich war einfach stehengeblieben, obwohl ich das nicht wollte, und hatte sie angesehen. Noch Tage später starrte ich ihr im Unterricht auf den Nacken. Sie saß drei Reihen vor mir, das häßlichste Mädchen unserer Klasse; alle Jungen sagten das. Ich zeichnete sie, steckte die Zeichnungen unter die Borke der Eiche, küßte die Sitzfläche des Stuhls, auf dem sie im Musikraum saß - damals spielte sie Bratsche im Landesschülerorchester -, und roch im Winter an ihrer Jacke, die zum Trocknen vorm Lehrerzimmer über der Heizung hing.
    Drei nackte Frauen, das war nicht viel.
    Ich stieg aus der Wanne, sah in den Spiegel und versuchte mir vorzustellen, wie ich einmal aussehen würde, mit fünfundzwanzig oder dreißig. Ich schämte mich für die breiten Hüften und für meine schmale Brust. Ich hatte kaum Haare am Körper, aber ich war mir sicher, daß sie bald kommen würden. Mein Vater hatte beinahe zu viele, sogar sein Rücken war voller Haare; von hinten sah er aus wie ein Tier. Bei einem Urlaub in der Bretagne hatte ich einmal geweint, als wir am Strand neben einer Familie mit Töchtern in meinem Alter lagen und er sein Hemd nicht anziehen wollte.
    Ich nahm seinen alten Elektrorasierer, ein speckiges schwarzes Stück Plastik mit stumpfen Klingen und Zahnpastaspuren. Ich rasierte meine Wangen, das Kinn und die Stelle über den Lippen, dann öffnete ich das Gehäuse und pustete über das Scherblatt, aber kein einziges Barthaar rieselte herab. Wenn mein Vater morgens im Bad war, sich rasierte und wusch, reinigte er den Apparat im Anschluß mit einer kleinen Bürste. Im Waschbecken blieb dann ein dünner Film aus Seife, Speichel und Stoppeln zurück, der schon am frühen

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