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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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öffnete die Tür.
    »Ich komme wegen der Anzeige.«
    Sie war jung, zwanzig vielleicht, eine Ausländerin; ein leiser Akzent lag in ihren Sätzen, wie bei Madame Sauvage, meiner Französischlehrerin.
    »Ich weiß, ich bin ein bißchen spät.«
    Sie trat einen Schritt nach vorn und berührte die Sicherungskette mit ihrem Zeigefinger. Ich sah diesen hellen Punkt im Braun ihres rechten Auges und drei feine Löcher in ihrer Ohrmuschel, in denen Ringe gesteckt haben mußten.
    »Mein Name ist Ada«, sagte sie.
    Der Teekessel pfiff, erst leise, dann schrill. Ich hatte Lust, die Kette zu lösen und sie einfach hereinzulassen. Plötzlich dachte ich an meinen Vater. Auf der Liste hatte ich schon den Namen der Frau mit dem Hund markiert.
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Die Stelle ist vergeben.«
    »Schade.« Sie zuckte die Schultern.
    »Viel Glück noch«, sagte ich.
    Vom Klavierzimmer aus konnte man die Straße sehen, das Tor und den gepflasterten Weg durch unseren Vorgarten. Sie trug Sandalen, einen halblangen Rock und ein schwarzes T-Shirt. Das Pfeifen des Teekessels hallte durchs Haus; ich wollte in die Küche gehen und ihn vom Herd nehmen, aber irgend etwas hinderte mich daran. Sie drehte sich um, zog das Tor zu, steckte ihre Hand durch das Gitter und schob von innen den Riegel vor.
    Plötzlich sah sie hoch. Das Fenster stand noch offen; ich rührte mich nicht, hielt den Atem an, wünschte mir, unsichtbar zu sein, aber sie hob ihren Arm, winkte und rief mir etwas zu, ein oder zwei Worte. Dann ging sie die Straße runter, Richtung Bushaltestelle.
    Die Uhr in der Küche zeigte halb sieben. Ich hängte vier Beutel Kamillentee in die Thermoskanne, goß das dampfende Wasser darüber und schraubte den Deckel drauf. Ada, dachte ich: vielleicht die Kurzform eines Namens, der weniger gut zu ihr paßte.
    Dann dachte ich an die Frau mit dem Hund, an ihre Art, im Sessel zu sitzen, leicht nach vorn gebeugt, an die rissige Haut ihrer Hände, die der Hund geleckt hatte, aus denen er gierig die Schokoladenkekse gefressen hatte.
    Ich ließ die Teekanne stehen, schlüpfte in meine Turnschuhe und lief aus dem Haus, ihr nach. Sie war ein Stück voraus. Ich lief schneller, kam näher, ging für Sekunden hinter ihr. Ein schwarzblauer Fleck in ihrem Nacken; sie mußte sich verletzt haben, oder es war ein Fleck der Sorte, die manche Mädchen aus meiner Klasse nach Partys trugen wie Schmuckstücke.
    »Ada.«
    Sie blieb stehen. Ihr Lächeln, der helle Punkt im Auge, ihr schwarzes Haar, hochgehalten von einer roten Spange. Mit den anderen Frauen zu reden, ihnen Angebote zu machen, Stundenlöhne auszuhandeln war mir leicht gefallen - nun kam ich mir vor wie ein Kind.
    »Es hat sich was ergeben.«
    »So.«
    Obwohl sie flache Sandalen trug, war sie ein bißchen größer als ich, vier oder fünf Zentimeter vielleicht. »Die Stelle, ich meine, sie ist wieder frei.«
    »Das ging schnell«, sagte sie.
    Mit Kamillentee ging es ihr wie mir mit Pampelmusensaft: Früher hatte sie ihn beinahe jeden Tag trinken müssen, ohne Zucker, wegen der Zähne.
    »Wir haben sonst nichts«, sagte ich.
    Ich hatte Tee oder Wasser getrunken und Reste aus der Truhe gegessen, Baguette zum Aufbacken, Coq au vin oder eines der Filets, die mein Vater für seinen Geburtstag beim Heidebauern gekauft hatte.
    »Vielleicht ist noch Bier da.«
    »Bier«, sagte sie. »Wenn du auch eins trinkst.«
    Ich holte aus dem Geräteraum vier Flaschen König Pilsener. Der Spiegel mit den Barockvoluten am Treppenabgang hing schief; mein Vater mußte ihn bei seinem Sturz gestreift haben. Ich sah hinein, fuhr mir durchs Haar und glättete mit etwas Spucke meine Augenbrauen.
    »Möchten Sie ein Glas?«
    Sie saß in dem hölzernen Schaukelstuhl, schlug die Beine übereinander und zog ihren Rock über die Knie.
    »Nein. Sag einfach du.«
    Ich holte den Flaschenöffner, öffnete zwei Flaschen und stellte sie auf den Tisch, neben die Photographie.
    »Ist der im Smoking dein Vater?«
    Sie nahm das Bild in die Hand und betrachtete es eine Weile. Ich setzte mich in den Ohrensessel. Im Licht der untergehenden Sonne schimmerte auf ihren Wangen ein zarter Flaum, wie bei Babys. An ihren Armen hatte sie einige dieser Muttermale. Auf meinem Rücken waren auch welche, dreizehn genau, für die ich mich schämte; ich zählte sie hin und wieder vor dem Spiegel im Badezimmer. Bei Ada sahen sie ganz normal aus. Ich fand sogar, daß sie ihr standen.
    »Ihr seht euch ähnlich.« Sie lächelte.
    Ich saugte mit den Lippen

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