Die Haushälterin
Vormittag so hart und trocken war, daß ich ihn nur mit Scheuermittel wieder entfernen konnte.
Ich verteilte eine Portion seines After-Shaves in meinem Gesicht, gurgelte mit seinem Mundwasser, nahm sein Deodorant von Boss, schraubte den Deckel ab, sprühte ein wenig auf die Spitze meines Penis, setzte mich auf die Klobrille und begann, mir die Nägel zu schneiden. Ich schnitt sie eckig, wie ich es von meiner Mutter gelernt hatte, damit sie nicht ins Fleisch wuchsen.
Dann zog ich meinen Pyjama an und sah mich noch einmal um. Frauen, die meinen Vater besuchten, hinterließen Schamhaare, Haarspangen oder wenigstens Spuren in der Toilette. Ada hatte nichts hinterlassen, sie hatte nicht mal die Seife benutzt, die ich am Morgen zwischen den Kamm und das Lou Lou gelegt hatte.
9
Am Einunddreißigsten sollte er kommen. Beim Frühstück warf ich das Milchglas um und verbrannte mir die Finger an einer Scheibe Toast. Gegen zwei hörte ich das Taxi auf der Straße. Ada war im Garten, sie hängte Socken, seine Hemden und sein Bettzeug über die Leine. Ich rückte den Ohrensessel zurecht und stellte die Margeriten, die wir zusammen gepflückt hatten, auf den Wohnzimmertisch.
In seinem blauen Trainingsanzug kam er mir jünger vor. Er hatte den Schnurrbart abrasiert und sich dabei geschnitten, oberhalb seiner Lippe war noch frischer Schorf. Er roch nach Aprikosen wie dieser Spray, den Mlatko Josic morgens in den Krankenzimmern und auf dem Gang versprüht hatte.
»Bin ich erledigt«, sagte er. »Hast du einen Zehnmarkschein?«
Der Taxifahrer stellte die lederne Tasche in den Flur. Ich holte einen Schein aus dem Sparschwein in meinem Zimmer.
»Stimmt so«, sagte mein Vater und nahm mir das Geld aus der Hand. Der Taxifahrer nickte.
»Wie wär's mit Kaffee«, sagte ich. »Habe gerade welchen aufgesetzt. Es gibt Zwetschgenkuchen mit Sahne und Zimt, wie du ihn magst.«
»Guten Tag«, sagte er.
»Entschuldigung«, sagte ich. »Guten Tag.«
Er schnippte einen weißen Fussel vom Ärmel der Trainingsjacke, setzte sich auf den Hocker und lehnte die Krücken gegen die Wand. Aus seinem Bein ragten die metallenen Stäbe hervor. Sie stützten seine Knochen, wie Pfeiler eine Brücke stützen. »Brücken ohne Pfeiler krachen einfach zusammen« - das hatte Mlatko Josic gesagt.
»Soll ich die Tasche nach oben bringen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Wem gehören diese Schuhe.«
Diese Sandalen, dachte ich, »Schuhe« war nicht das richtige Wort.
»Sie gehören Ada. Ada läuft meistens barfuß.«
Er sah sich um, als wäre er bei Fremden zu Besuch. Sein Geruch erfüllte den Flur, trotz geöffneter Haustür -künstliche Aprikosen.
»Ada«, sagte ich, »ist unsere neue Haushälterin.«
Als wir am Fenster standen, saß sie im Schneidersitz auf dem Gras, den Blick aufs Wasser gerichtet, und rauchte.
Er humpelte zum Ohrensessel. Ich hatte Angst, er würde mit den Metallstäben irgendwo hängenbleiben. Er ließ sich ins Polster fallen und streckte seine Arme aus.
»Hör mal«, sagte er. »Du kannst nicht einfach ein fremdes Mädchen bei uns arbeiten lassen.«
Ich spürte die Schläge, mit denen das Herz mein Blut durch den Körper pumpte, spürte sie in den Fingerspitzen, im Bauch und im Inneren meines Schädels.
»Heute abend kocht sie für uns Steinbeißer in Weißweinsoße. Ada kocht ziemlich gut«, sagte ich.
Er hob das verbundene Bein auf den Tisch.
»Wie bist du auf diesen Unsinn gekommen? Sag ihr, daß sie gehen soll, und gib ihr zweihundert Mark.«
Ich dachte, ich hätte ein Recht darauf, daß er sich Mühe gab. Erwachsene schienen zu verlangen, daß man ständig mit ihnen spielte, nach Regeln, die sie erfunden hatten und brachen, wenn es ihnen paßte. Plötzlich stand Ada in der Tür, ohne die Ohrringe und ihre Kette, in einem schlichten braunen Rock und einer weißen Bluse.
»Ich habe was gefunden«, sagte sie.
Mein Vater nahm das Bein vom Tisch. Sie ging zum Sessel und hielt ihm eine Muschel hin, kaum größer als ihr Handteller. Auf die Innenseite der Schale war dieser kleine französische Hügel mit der Abtei gezeichnet.
»Sie lag hinter der Waschmaschine.«
Mein Vater nahm die Muschel und kratzte sich unter der Nase wie zu Zeiten, als dort noch sein Schnurrbart gestanden hatte.
»Mont Saint Michel«, sagte Ada.
Drei Jahre hatte die Muschel unter meinem Bett gelegen. Meine Mutter hatte sie meinem Vater bei der Hochzeitsreise geschenkt. Am Morgen, als Ada aus seinem Zimmer die schmutzige Wäsche geholt hatte, war ich in
Weitere Kostenlose Bücher