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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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öffnete die Schachtel und roch.
    »Wie sie kocht«, sagte ich.
    »Wie die Frauen in Frankreich.« Er rieb sich den Bauch und grinste.
    »Frauen in Frankreich?«
    »Köchinnen eben.«
    Ich nahm einen Zigarillo aus der Schachtel und steckt ihn an. Wir schwiegen eine Weile, und es war still im Haus bis auf das leise Surren des Kühlschranks in der Küche.
    »Was ist das für ein Blick«, sagte er.
    »Wo.«
    »Warum du so guckst.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    »Der Sargnagel schmeckt dir wohl.«
    »Ziemlich eklig«, sagte ich, obwohl ich mich gefreut hatte, daß er mir einen anbot.
    »Dann muß es was anderes sein.«
    Mein Vater hielt die hohle Hand an sein Ohr. Ich zupfte an einem Faden, der an der Naht meines Pullis hing.
    »Da schmachtet jemand«, sagte er.
    »Quatsch!«
    Er richtete sich auf und schob den Aschenbecher rüber. Ich dachte zuerst, er würde gleich lachen und eines seiner Bonmots loslassen, aber er sah mich einfach an.
    »Sie ...«, sagte ich. Ich aschte ab und überlegte. »Sie ist ...« Ich blies den warmen Rauch des Zigarillos durch die Nase. »Ich meine, sie ist ganz einfach ...«
    »Schon gut«, sagte mein Vater. »Verzwickte Sache.« Er seufzte, und in seinem Seufzen lag, wofür mir die Worte fehlten.
    Sie kam mit roten Strähnen vom Friseur zurück. Zwischen ihren Schlüsselbeinen pendelte wieder der Raubtierzahn.
    Wenn ich morgens die Zähne putzte, ließ ich die Tür zum Bad offen. Sie kam herein, wusch ihre Hände, sah in den Spiegel und fuhr sich durchs Haar, dann begann sie mit der Arbeit. Manchmal erwartete ich sie länger als eine Stunde, tupfte Zahnpasta auf meine Mitesser, gurgelte mit Odol und summte erfundene Melodien.
    Einmal sagte sie »Guten Morgen«, klappte den Klodeckel hoch, hob ihren Rock, zog die Unterhose runter und setzte sich einfach hin. Ich starrte an die Wand, während sie dasaß und erzählte, daß sie mit Freunden in Hagenbecks Tierpark gewesen war.
    »Montags ist der Eintritt frei. Wir können doch mal zusammen hingehen.«
    Sie riß Papier von der Rolle.
    »Deinen Vater nehmen wir mit. Wir leihen uns einen Rollstuhl.«
    Für einen Moment sah ich hin.
    Später ging ich in mein Zimmer, hielt mir die Ohren zu, schloß die Augen und versuchte, mich an diesen Moment zu erinnern. Ich zeichnete sie, zerriß das Blatt und zeichnete sie noch einmal, aber was da in Bleistiftstrichen vor meinen Augen erschien, wirkte blaß und linkisch neben dem Bild in meinem Kopf.
    Plötzlich interessierte mein Vater sich für Vögel. Er wies mich an, vom Dachboden den Armeekoffer seines Onkels zu holen, nahm den Feldstecher heraus und steckte ihn neben das Polster des Sessels. Mittags, wenn Ada am Fluß saß und die Füße ins Wasser hielt, beobachtete er den Buntspecht am Stamm der jungen Birke.
    Er trug das dunkelgrüne Hemd aus seiner Studentenzeit - »oak green«, eine Farbe, die schon sein erster VW gehabt hatte - und zwängte seinen linken Fuß in einen Slipper aus Florenz. Beim Fernsehen umklammerte er die Krücken und streckte sie über den Kopf, zehnmal, zwanzigmal, fünfzigmal.
    »Ein bißchen Bewegung tut gut«, sagte er. »Das solltest du auch probieren.«
    Ich sah ihn an und schwieg. Er machte weiter, immer schneller, bis sein Gesicht violett war und die dicken Adern seitlich am Hals hervortraten.
    »Mir geht's prächtig«, sagte er und schnippte mit den Fingernägeln gegen die Metallstäbe. »Sobald ich die Dinger los bin, fahren wir zur Alster und mieten ein Ruderboot, was meinst du?«
    Ich wollte zu Ada in den Garten.
    »Setz dich da hin«, sagte er.
    Ich blieb stehen und sah weg.
    »Na los, setz dich hin.«
    Ich setzte mich auf den Stuhl.
    »Was in letzter Zeit passiert ist« - seine Hand beschrieb einen Bogen, der den Ohrensessel, das Haus oder die ganze Welt umspannte - »ich meine, es wird sich einiges ändern. Ich habe darüber nachgedacht. Es gibt bestimmte Gesetze, an die man sich besser hält; in einer Familie ist das nicht anders als in der Schule, im Büro und am Schaltpult eines Reaktors.«
    »Selbstverständlich«, sagte ich.
    »Das viele Trinken zum Beispiel.« Er beugte sich vor und schüttelte den Kopf. »Dein Großvater hat eine Menge getrunken. Er war kein glücklicher Mensch.«
    Solche Gespräche fielen mir schwer, und dafür schämte ich mich. Manchmal wünschte ich mir eine Schwester, die mit uns am Tisch säße, mit der mein Vater reden konnte, wie er es früher gekonnt hatte, als meine Mutter noch lebte.
    Einmal hatten die beiden abends im Garten

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