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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Kühle der Luft um ihren Körper, die Wassertropfen aus ihrem Haar.
    »Willst du mich küssen.«
    »Nein.«
    »Komm«, sagte sie. »Stell dich nicht an.«
    Die Waschanlage war schon geschlossen. Wir putzten den Wagen mit Papiertüchern und etwas Scheibenwasser auf dem Hof der Tankstelle. Bei Dwenger ließ die Verkäuferin gerade den Rolladen runter, eine mürrische junge Frau, die, als sie uns sah, auf ihre Armbanduhr wies und den Kopf schüttelte. Ada lächelte sie an und fragte, ob sie die Spitzenschürze von den Dwengers bekommen oder selbst genäht habe. Sie flirtete mit der Verkäuferin, und dann flirtete sie mit Herrn Dwenger, der nach vorne kam, um zu sehen, wessen Stimmen noch so spät in seinem Laden zu hören waren.
    Im Wagen legte ich das Kuchenpaket auf meine Knie, lutschte Salmiakpastillen gegen den Zigarettengeruch und dachte, daß wir meinen Vater nicht angerufen hatten.
    »So«, sagte er. »Habt ihr euch amüsiert.«
    Die drei oberen Knöpfe seines Hemdes standen offen.
    Er roch nach Rasierwasser.
    »Wir waren schwimmen«, sagte ich. Er zuckte die Schultern und seufzte. »Bei dreißig Grad ist das vernünftig.« Er beugte sich im Sessel vor und gab mir einen Knuff, dann wandte er sich an Ada.
    »Ich habe uns was gekocht«, sagte er. »Was ganz Besonderes.«
    Während des Essens, das von Luigis Lieferservice war -ich sah die Styroporschachteln im Mülleimer unter der Spüle -, sprach er von Gedichten, mit denen er sich befaßte, seit der Band über polnische Lyrik auf meinem Schreibtisch lag. Ada saß aufrecht da und sah ihn an wie eine Schülerin, obwohl ich das Buch gelesen hatte und wußte, daß er Unsinn redete. Ich aß meine gegrillte Languste und dachte an unseren Kuß.
    Ada nickte und lachte und ließ sich Saint-Emilion nachschenken; sie hatte den Kuß vergessen oder verbarg, was sie empfand, damit mein Vater keinen Verdacht schöpfte. Er zwinkerte ihr zu, legte den Kopf schief, klopfte am Ende jedes Satzes mit dem Zeigefinger aufs Tischtuch und senkte die Stimme, wie er es tat, wenn er Humphrey Bogart imitierte. Plötzlich sagte er eine Strophe von Julian Tuwim auf:
    Du sinnst gefühlvoll, lange. Deine grauen Augen, die Wasserleichenaugen hinter Scheibenhüllen, verfischen sich - und starren prophetisch und saugen das triste Wasser mit erblindeten Pupillen.
    Ich schob meine Panna Cotta weg, stand auf, ging in den Keller, setzte mich auf die kalten Fliesen und wartete im Halbdunkel.
    Das Eßzimmer lag direkt über dem Raum, in dem ich saß; der Tisch stand ungefähr da, wo sich die Eichenbalken kreuzten. Mein Vater sprach lange, der dumpfe Klang seiner Stimme drang durch die Decke. Ich hoffte, Ada würde aufstehen und kommen, um nach mir zu sehen. Es war, als könnte mein Vater alles, was passiert war, mit einem einzigen Blick zwischen Hauptgang und Nachtisch wieder zerstören.
    Als ich schließlich raufging, lag sie im Wohnzimmer auf der Couch, unter der Steppdecke, die ich am Morgen bezogen hatte. Sie las im Licht der Neonlampe, die sonst vor diesem Aquarell mit den jungen Brunfthirschen stand.
    »Komm her«, sagte sie.
    Ich blieb neben der Couch stehen. Sie richtete sich auf und schlang die Arme um ihre Knie. Ihr T-Shirt von den Chicago Bulls war bleich und am Kragen ausgefranst. Sie hatte sich abgeschminkt; die Grenzen in ihrem Gesicht schienen aufgehoben.
    »Was ist mit deiner Schulter?«
    »Geht schon.« Ich hielt ihrem Blick stand. Im Keller hatte ich nachgedacht, mir dieses Gespräch vorgestellt in seinen möglichen Verläufen. Ich spürte, daß ich Ada nicht sagen durfte, was ich fühlte, zumindest nicht so, wie ich es am See hatte tun wollen. Es schien eine Regel zu geben, die den Menschen vorschrieb, anderen ihre Gefühle als Rätsel mitzuteilen. Ich hatte einige Sätze über die Ewigkeit im Kopf, über das Glück und über den Tod, aber nun saß Ada da, und ich brachte nichts heraus.
    »Du siehst traurig aus«, sagte sie. »Meine Languste war schlecht.« Ich haßte es, wenn andere dachten, daß ich traurig sei. »Brauchst du noch was? Ein Kissen?«
    »Danke.« Sie lehnte sich zurück. »Dein Vater hat mir schon eins gebracht.« »Dann gute Nacht«, sagte ich.
    12
    Ich lag noch im Bett, als ich meinen Vater auf dem Flur hörte. Er stieß sich an irgend etwas und fluchte, und Ada fragte, ob alles in Ordnung sei und wie sie ihm helfen könne. Kurz darauf waren sie draußen und zogen die Tür ins Schloß.
    Ich sprang auf, duckte mich hinter dem Fußball auf der Fensterbank und sah, wie

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