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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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plötzlich war sie weg. Ich rannte raus auf die Straße und blieb im Platzregen stehen: Menschen, unter bunte Schirme und Markisen gedrängt, Wasser, das von Autoreifen auf den Gehsteig spritzte.
    Sie packte mich am Ärmel und zog mich unter das Vordach des Würstchenstandes. An ihren Wangen rannen dunkle Tropfen hinab, Regen, vermischt mit Wimperntusche.
    »Warum tust du das«, rief sie.
    Ich sah an ihr vorbei.
    »Los,« sagte sie. »Komm mit.«
    13
    Ihre Wohnung war klein, ein Zimmer mit Bett und Bücherregal, einem Schreibtisch, einer Kleiderstange und einer Kochstelle. Neben der Leselampe stand auf dem Schreibtisch ein alter Computer, ein 386er von IBM. Das gleiche Modell hatte mir mein Vater zum elften Geburtstag geschenkt. Die Wände waren kahl bis auf eine silberne Christusfigur, die über dem Kopfteil des Bettes an einem Streifen Tesafilm hing.
    »Du mußt dich umziehen«, sagte Ada. »Hier, probier mal die Hose.«
    Sie ging zum Herd, nahm einen Kessel und füllte Wasser hinein.
    »Pfefferminz- oder Malventee?«
    »Pfefferminz«, sagte ich.
    Ich hängte meine nassen Sachen auf einen Drahtbügel, zog die zerknautschte Schlaghose an und schlüpfte in eine schwarze Bluse, die mit Pailletten besetzt war.
    »Süß.« Sie strich ihr nasses Haar hinter die Ohren und grinste. »Der Fön liegt im Badezimmer.«
    Das Bad war etwas größer als unsere Gästetoilette. Die weißen Kacheln schimmerten dumpf. An der Wand gegenüber der Dusche hing ein Plakat mit Juliette Binoche. Im Wäschekorb lagen zwei helle T-Shirts, im Klo markierte ein brauner Rand aus Kalk den Wasserstand. Ich nahm die T-Shirts und drückte sie nacheinander auf mein Gesicht. Dann roch ich am Shampoo, Mildeen family in einer bunten Vorratsflasche. Ich beugte mich über die Duschwanne, hob ein Schamhaar auf, streckte die Zunge raus, legte das Schamhaar darauf und sah in den Spiegel.
    Sie hätte mich fortschicken können. Ich wäre in die U-Bahn gestiegen und nach Hause gefahren. Warum lud eine Frau einen jungen Mann zu sich in die Wohnung ein? Als ich in dieser albernen Bluse in Adas Badezimmer stand, wurde mir plötzlich klar, wie einfach alles war, daß man sich nur bemühen, vielleicht auch ein bißchen leiden mußte, bis man schließlich bekam, was man erhofft hatte. Ich fönte mein Haar, drehte den Hahn auf und pinkelte ins Waschbecken, dann wusch ich mir mit dem Shampoo die Hände. Ich ließ die beiden oberen Knöpfe der Bluse offenstehen und kämmte mir mit etwas Nivea-Creme einen Scheitel.
    Ada hatte sich umgezogen, sie trug eine schwarze Trainingsjacke und ausgefranste Jeans mit Flicken an den Knien.
    »Ich hab mich verbrannt«, sagte sie. »Mist. Willst du Zucker?«
    Sie stellte eine metallene Dose zur Teekanne auf das Tablett.
    »Du kannst den Stuhl nehmen«, sagte sie.
    Ich setzte mich zu ihr aufs Bett. Das Laken roch frisch gewaschen. Ada goß Tee in die Tassen und zündete eine Kerze an; es war eine dicke Kerze, deren äußerer Rand noch stand. Das matte Licht flackerte wie in einer Laterne.
    Sie nahm ihre Tasse und nippte.
    »Warum bist du mir gefolgt?«
    Ich rückte näher an sie heran.
    »War dir langweilig?«
    Bei unserem Ausflug zum See hatte sie Sommerspros-sen bekommen. Ich hielt die Hände im Schoß verschränkt. Sie zitterten wie immer, wenn jemand mich beobachtete.
    »Möchtest du doch lieber Malventee?«
    »Nein, der Pfefferminztee ist gut. Nur ein bißchen heiß.«
    Sie band sich das Haar mit dem roten Gummi aus ihrem Rucksack zusammen.
    »Heute abend ist eine Party bei meiner Freundin Ag-nieszka. Du kannst mitkommen, wenn du willst.«
    Ich drückte mein Knie an ihres, ganz leicht.
    »Wir werden ein paar Joints rauchen. Du darfst dir nichts dabei denken.«
    »Tu ich nicht«, sagte ich. »Ich weiß, wie so was geht.«
    Das silberne Zigarettenetui lag vor dem Bett auf dem Boden. Ich nahm zwei Zigaretten heraus, zündete sie mit der Kerze an und hielt ihr eine hin.
    »Danke.« Sie sah auf die glühende Spitze. »Was ist mit deinem Vater? Du solltest ihn anrufen.«
    Ich nahm einen Zug und mußte husten.
    »Wie spät ist es eigentlich?« Sie berührte mein Handgelenk. »Wieso trägst du keine Uhr?« Sie streckte sich, griff unters Bett und zog einen Wecker hervor.
    »Zehn vor drei«, sagte sie. »Viel Zeit.«
    Von meinem Vater wußte ich, daß Frauen warteten, bis der Mann das Zeichen gab. Ich legte meine Hand auf ihr Knie. Aus der Wohnung über uns kam leise Musik, ein Impromptu, das meine Mutter manchmal auf dem Klavier gespielt

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