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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Mundwinkel hing ein Joint.
    »Magda«, rief sie. »Zieh dir was an! Halbnackt hier rumspringen! Schäm dich!«
    Magda streckte die Brust raus.
    »Dem da gefällt das!« sagte sie und zeigte mit dem Finger auf mich.
    »Geh! Wird's bald«, rief Agnieszka. »Laß den armen Jungen in Ruhe!«
    Magda ächzte und stolzierte hinaus.
    »Meine Schwester«, sagte Agnieszka. Sie verdrehte die Augen. »Gerade vierzehn und will nach L. A.«
    »Ist doch nicht schlecht«, sagte ich. »Da kann man Lamborghini fahren und Rührei mit Trüffeln frühstücken.«
    »Los Angeles!« rief Agnieszka. »Da wirst du gezwungen, Pornos zu drehen! Na zdrowje!« Sie nahm ein Glas vom Tisch und drückte es mir in die Hand. Während sie sprach, blieb der Joint an ihrer Unterlippe kleben. Sie glich damit weniger einem dieser Junkies aus St. Georg, Typen, die man am Hauptbahnhof sah, wenn man vom Bus in die S-Bahn umstieg, als einer Fernsehkomödiantin, die einen Rockstar imitierte.
    »Du bist vernünftig«, sagte sie. »Vielleicht kannst du mit Magda reden.« Sie beugte sich vor und strich mir mit der Federboa über den Hals.
    »Über ... Los Angeles?«
    »Worüber du willst, mein kleiner Schlingel!«
    Sie gab mir einen Kuß auf die Stirn, und ich ekelte mich ein bißchen, denn durch ihr Top konnte ich die Form ihrer Brustwarzen erkennen.
    Ada begrüßte die Gäste. Sie wartete an der Tür, verteilte Corona mit Limone und fragte, wie es im Studium lief oder bei der Arbeit. Ein blondierter Koreaner brachte Ingwerplätzchen mit. Zwei Frauen mit papierfarbenen Gesichtern und dicken Brillengläsern stellten ihre Sandalen nebeneinander auf den Fußabtreter. Als nächstes kamen drei Kerle, die braune Lederjacken trugen, johlten und sich auf die Schultern klopften, schließlich ein Dicker mit rot lackierten Nägeln, der nach Lavendel roch.
    »Hey Alter!«
    »Ihr wollt heiraten?«
    »Weißt du noch, damals im Kaiserkeller .«
    Es kamen immer mehr Leute. Ich zwängte mich zwischen Ellenbogen, Hinterteilen und Rücken durch. Breite Rücken, verschwitzte Rücken, dazwischen plötzlich ein nackter Rücken, gehüllt in Rauch und Lärm und Gelächter und Fetzen von Nina Simone. Ich sah, wie die Männer in den Lederjacken Ada anstarrten, tuschelten und sich Zeichen gaben, sobald sie sich wegdrehte. Sie lachten, und als ihre Blicke mich streiften, tat ich, als lachte ich mit.
    »Sag mal, Kleiner, kommst du vom Film?«
    Ich stutzte. Sie zuckten nur die Schultern und wandten sich wieder ab. Ada war überall, sie stemmte die Hände in die Taille, warf ihren Kopf in den Nacken, lachte, verteilte Küsse. Manche Männer küßte sie zweimal, andere umarmte sie nur, die Frauen küßte sie auf den Mund. Sie streichelte Wangen, Bäuche und Hüften. Sie tänzelte durch die Wohnung, strich ihr Haar hinters Ohr, zog die Träger des Kleides hoch und schenkte Wodka nach. Es war, als löste sie sich von der Erde.
    Plötzlich schob Agnieszka mich vor.
    »Ist er nicht süß? Ein kleiner Engel.«
    Die anderen rissen die Augen auf, nickten und klopften mir auf die Schultern wie meine Onkels und Tanten bei der Konfirmationsfeier.
    »Poussierstängel«, rief eine der Frauen mit den großen Brillen.
    Magda kam zu uns herüber und stellte sich neben mich. Sie roch nach dem süßen Parfum, das die Mädchen aus meiner Klasse benutzten. Über dem Bund ihrer Jeans lugte ihr weißes Höschen hervor. Sie sah in die Runde wie ein Gast, dem schlechtes Essen vorgesetzt wird, dann kniff sie die Augen zusammen und zog mich zu sich heran.
    »Warum trägst du diese bescheuerte Bluse?«
    »Die ist von Ada«, sagte ich. »Meine Sachen waren naß.«
    »Gib's zu, du bist schwul!«
    Ada kam.
    »Gut«, sagte sie, »jetzt lernt ihr euch kennen!« Sie umarmte das Mädchen. »Hübsch, meine Magdalena, oder?«
    »Er ist schwul«, sagte Magda. Sie drehte sich um und ging.
    »Ich muß aufs Klo«, sagte ich.
    Das Bad wirkte im trüben Deckenlicht alt und dreckig. Ich sah in den Spiegel: zwei kleine Augen, die Narbe über der Braue, blasse Haut, die Köpfe der Mitesser beidseits der Nase und Ohren, die meine Großmutter manchmal, wenn ich sie besuchte, mit Tesafilm an den Kopf geklebt hatte. Ich drehte den Hahn auf, beugte mich vor und wusch mein Gesicht mit Seife.
    Jemand hämmerte gegen die Tür.
    »Mach auf, wir warten!«
    »Da scheißt einer!«
    Ich zog die Spülung, schloß auf und zwängte mich zwischen ihnen hindurch. Im Raum nebenan brannten Teelichter, Agnieszka kickte gerade zwei fransige Sitzkissen in die

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