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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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hatte.
    Ada hob ihren Arm und strich mir das Haar aus der Stirn. Die Kerzenflamme tanzte in der Dunkelheit ihrer Pupillen. Sie knetete das Wachs, formte daraus eine dünne Zunge, und dann sah sie den Rucksack an, nur für einen Moment - sie selbst hatte diesen Blick vielleicht nicht einmal bemerkt, hätte genauso auf ihre Füße oder zum Fenster schauen können, aber ich war wie versteinert.
    Nach einer Weile stand sie auf.
    »Ich muß noch arbeiten«, sagte sie. »Du kannst hierbleiben und was lesen. Ich hab ein paar Bücher, die sind, na ja, wie sagt man ... die machen Spaß. Deutsche Bücher, die ich gelesen habe, als ich so alt war wie du.«
    Sie nahm ihre Tasse und setzte sich auf den Stuhl beim Schreibtisch.
    »Oder du schaust dir das Viertel an. Du könntest für nachher zwei Flaschen Wodka besorgen. Es gibt einen Laden, gleich um die Ecke, wo sie nicht nach dem Ausweis fragen.«
    Sie tippte die Glut ihrer Zigarette in einen silbernen Aschenbecher.
    »Nimm meinen Schirm mit.«
    14
    Gegen Abend ließ der Regen nach. Ada trug etwas Rouge auf, benutzte ihren Lippenstift, drehte meinen Kopf ins Licht und tupfte mir Puder auf einen Pickel. Ich durfte den kleinen Reißverschluß hinten an ihrem Kleid zuziehen.
    Agnieszka wohnte am Stadtpark in einem der langen Backsteingebäude, die ich früher für Kasernen der Nazis gehalten hatte. Als wir aus dem Bus stiegen, ging die Sonne unter, und aus dem Park wehten die Gerüche von Grillfleisch und Rhododendren herüber. Ich trug die Tüte mit den Flaschen und hielt mich ein kleines Stück hinter Ada, um die schwarzen Netzstrümpfe an ihren Beinen zu betrachten. Sie hatte gesagt, daß einige ihrer Freunde zur Party kommen würden. Frauen, die sich schminkten, schwarze Kleider und Netzstrümpfe trugen, hatten wahrscheinlich nichts anderes im Sinn, als es sich richtig besorgen zu lassen. Ich wollte durch den Park zur U-Bahn gehen und heimfahren, aber ich wußte, daß Ada mich überreden würde, es nicht zu tun, mit Hilfe all der Tricks, die Leute in ihrem Alter kannten.
    Eine Frau mit Augenringen öffnete die Tür.
    »Das ist Agnieszka«, sagte Ada.
    Ihr Haar sah aus wie aufgetürmt. Sie war ein bißchen größer als Ada und vielleicht zehn Jahre älter - wenn sie nicht lachte, blieben die kleinen Falten unter den Lidern da. Sie küßte Ada auf den Mund und drückte ihre Wange an meine.
    »So eine hübsche Bluse«, rief sie und zupfte meinen Kragen zurecht. »Du bist also der Schlingel, den wir heute verführen werden!«
    Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoß. Wir waren zu dritt in der Wohnung, zumindest kam es mir so vor. Agnieszka faßte uns an den Händen zog uns durch den Flur in die Küche. Sie trug Stiefel, deren Schäfte bis an die Knie reichten, einen knallgrünen Filzrock und um den Hals eine rote Boa mit Federn, die in der Luft tanzten.
    »Habt ihr den Wodka mitgebracht?«
    Sie stellte drei Gläser auf den Herd und strich mir über den Kopf.
    »Schenkst du was ein? Dann sorgen Ada und ich für Musik, ja?«
    Sie zwinkerte und zog Ada am Handgelenk in einen Raum, den man von der Küche nicht einsehen konnte. Die beiden redeten polnisch und lachten. Ich dachte, daß sie Dinge besprachen, die mich nichts angingen, nahm die Flaschen aus der Tüte, stellte eine zu den Gläsern, drehte die andere auf und trank einen großen Schluck. Dann goß ich ein, setzte mich hin und lauschte der Musik, erst einem Tango und dann einem Song, den ich schon einmal gehört hatte - »Heaven belongs to you«, gesungen von Nina Simone.
    Mein Magen knurrte. Neben dem Spülbecken lagen belegte Schwarzbrotscheiben. Ich aß eine mit pürierter Banane und eine mit Paprikawurst und schob die übrigen Scheiben auf dem Teller zusammen.
    »Geht's noch ein bißchen heimlicher?«
    Das Mädchen stand plötzlich im Türrahmen. Ihr Haar war lang und braun, und sie trug nur ein Badetuch, das ihre Brüste, den Bauch und die paar Zentimeter darunter bedeckte. Sie nahm die Wurstverpackung vom Tisch, ging zum Kühlschrank und sah hinein. Unter ihren nackten Füßen quietschte das Laminat.
    »Hast du die Nagelfeile gesehen?« Sie schüttelte einen Pizzakarton und sah im Mülleimer nach, bevor sie die Feile zwischen den Bananenschalen im Spülbecken fand.
    »Meine Schwester ist eine Schlampe.« Sie hielt die Feile mit spitzen Fingern, wischte sie ab und verzog das Gesicht. »Und wer bist du? Der Schnittchenklau?«
    Agnieszka kam in die Küche, sie mußte die Stimme des Mädchens gehört haben. In ihrem

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