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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Ecke. Die anderen standen im Kreis, rauchten, lachten und redeten, jeder so laut, dachte ich, wie er konnte.
    Hände auf Hintern, Pospalten über tiefsitzenden Gürteln, gespannte Körper, Speicheltröpfchen, Nina Simone: »Love me or leave me.«
    Plötzlich kam Ada auf mich zu, sie nahm meine Hand und schmiegte sich an mich.
    »Komm«, sagte sie. »Wir tanzen.«
    Ich sah zu Boden und drückte sie weg.
    »Was ist«, sagte sie. »Die besten Tänzer machen den Anfang!«
    Ich wollte mich wehren. Agnieszka kreischte und pfiff auf ihren Fingern. Ada zog mich in die Mitte des Raumes, hockte sich hin, griff mir ans Knie, umfaßte es, und dann kam sie hoch, langsam, wie eine Schlingpflanze.
    »Mach einfach mit!« rief sie.
    Ich tanzte nicht mal auf Klassenfesten. Wenn mein Vater aus dem Haus war, drehte ich manchmal NDR 2 auf, hüpfte vor dem Spiegel und schrie - Ausbrüche, von denen ich glaubte, so müsse Glück sein. Adas Bewegungen waren anders: Sie ahmte Formen des Rauches nach, spannte mit ihrem Körper Trapeze, schlang die Arme erst um sich selbst und dann um meinen Hals. Ich ging in die Hocke, schwang die Hüften, kippte nach hinten und sprang wieder auf. Ich schlug mir auf die Schenkel, marschierte im Stechschritt um Ada herum, zählte im Takt der Musik und bewegte die Lippen zu Texten, die ich nie gehört hatte, »oxygen tent ... real cool cat ...«
    Ada wand und drehte sich vor der Kulisse aus Bierflaschen, Glut und flackernden Teelichtern. Ich sprang auf den nächsten Stuhl, stellte mich auf Zehenspitzen, griff mir zwischen die Beine und grunzte wie ein Schwein. Agnieszka starrte mich an. Ich streckte meine Zunge raus und riß die Augen auf, und als der Rhythmus wechselte, starrten mich alle an.
    »Was hast du genommen«, rief der Koreaner.
    »Nichts. Mir ist bloß schwindelig.«
    Ich stieg vom Stuhl, blies die Rauchwolken weg und ließ mich auf ein Kissen fallen. Als ich die Augen öffnete, saß Agnieszka neben mir. Ich spürte ihr Haar an meiner Wange, ihren Atem an meinem Ohr. Ich wollte nicht mit ihr reden, aber plötzlich lag ihre Hand auf meiner, eine kleine, rauhe Hand mit Fingern, die vielleicht brachen, wenn man sie aus Mitgefühl oder anderen Gründen drückte.
    »Du bist traurig«, sagte sie.
    Im Schein der Teelichter sah sie jung aus. Ada tanzte inzwischen mit einem blonden Mann, der Prinz Pavel hieß. Er hielt ihre Taille umfaßt, und Ada beugte sich kopfüber nach hinten, bis ihr Zopf den Boden berührte.
    »Wir sind alle allein«, sagte ich.
    »Was meinst du damit?« fragte Agnieszka.
    »Das Leben ist .«
    Ich schloß die Augen.
    »Es ist .«
    Ich konnte es nicht erklären, nicht so, daß sie es verstehen würde. Ich verstand es selbst nicht.
    »Du spinnst ja«, sagte sie und lachte. »Ich muß aufs Klo, bin gleich wieder da. Trinken wir dann noch einen?«
    Später saß ich neben dem Koreaner in der Küche. Ada spülte Gläser ab, während er versuchte, ihren Rock mit dem Ansatzrohr des Staubsaugers hochzuschieben. Plötzlich warf sie den Schwamm ins Wasser, drehte sich um, nahm das Rohr und lehnte es gegen die Wand. Dann setzte sie sich auf seinen Schoß, zog seinen Kopf nach hinten und beugte sich über ihn, als wollte sie ihn küssen.
    »Mein lieber Joshi«, sagte sie. »Besser, du gehst nach Hause.« Sie sah mich an. »Sei so lieb. Such seine Jacke und bring ihn zur Tür.«
    Ich packte den Koreaner am T-Shirt und zog ihn hinter mir her durch den Flur.
    »Meine Jacke«, lallte er.
    »Keine Jacke«, sagte ich. »Du bist ohne Jacke gekommen.«
    Er kratzte sich hinterm Ohr.
    »Kann ich mal telefonieren?«
    Ich schob ihn ins dunkle Treppenhaus. Er rülpste und torkelte nach unten.
    »Licht, bitte«, rief er.
    Ich schlug die Tür zu und schloß ab.
    Ada rauchte, sie hatte Schuhe und Strümpfe ausgezogen und ihre nackten Beine auf dem Küchentisch ausgestreckt. Ihre Fußsohlen waren rot, mit kleinen Schwielen an Fersen und Zehen; die lackierten Nägel glänzten im matten Deckenlicht. Sie gähnte, und ich sah die Mandeln und ihr schlankes Zäpfchen, das ich gern berührt hätte.
    »Agnieszka liegt schon im Bett«, sagte sie und drückte die Zigarette aus. »Ich finde, wir sollten dann auch.«
    Sie führte mich in eine Kammer neben dem Bad, die nach Kernseife roch. An der Wand lehnten Schrubber und Besen. In einem kleinen Regal standen Schuhe, Gemüsekonserven und eine beinahe völlig zerfetzte Bibel. Am Boden lagen zwei Wolldecken auf einer mit einem oran-genen Laken bezogenen Matratze.

Ada ließ ihr

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