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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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traf.
    In Französisch schnippte Fritsche Popel durch die Luft. Er fing sie mit der Zunge auf, schmatzte, schluckte sie runter und rieb sich unter dem T-Shirt den Bauch. Mit seinem schmalen Gesicht, der Matrosenmütze und dieser Brille, deren Gestell sein Urgroßvater ihm vererbt hatte, sah er aus wie ein Witzbold aus einer Nachkriegskomödie. Stine und Lilly lachten, Lenny D. lachte, sogar Madame Sauvage lachte. Ich rutschte auf meinem Stuhl herum und haßte mich, weil ich mit ihnen in dem engen Klassenraum saß, obwohl sie mir egal waren.
    Kurz darauf ging Madame Sauvage raus, um den Diaprojektor zu holen. Alle sahen Fritsche an. Er schluckte noch einen Popel runter, hielt inne, drehte sich plötzlich um und zeigte mit dem Finger auf mich.
    »Lippe«, sagte er. Der Name kam von Lilly. Sie hatte ihn aufgebracht, weil ich nicht viel redete.
    »Sag mal, riechst du das auch?« Er stand auf, streckte mir seine Nase entgegen und schnüffelte.
    »Du hast geschissen, Lippe.«
    Die anderen schlugen mit ihren Linealen auf die Tische, zogen Grimassen, gröhlten, klatschten und warfen Papier-kügelchen.
    Ich schrieb beim Testat in Latein von Eike ab, der meistens durchfiel, verbrachte die Pausen auf dem Parkplatz und ging vor der dritten Stunde heim.
    In diesem Laden hinter dem Bahnhof, den mein Vater »morgenländische Muffelkiste« nannte, kaufte ich einen kleinen Skorpion aus Bronze an einem Lederriemen. Als Augen klebten dem Skorpion blaue Edelsteinsplitter am Kopf. Ich stellte mir vor, wie er statt des Raubtierzahns um Adas Hals hing, wie sie ihn berührte, wenn sie in den Spiegel sah. Vielleicht paßte er zu dem gelben Kleid. Die junge Türkin umwickelte ihn mit Seidenpapier. Ich zahlte und steckte das Päckchen in die Tasche meiner Trainingsjacke. Alle paar Schritte tastete ich durch den Stoff die spitzen Scheren, die Beine und den festen Panzer.
    Ich nahm die Abkürzung, den Pfad, der vom Schwimmbad zum Bootsschuppen und von dort am Fluß entlang zu unserer Straße führte, vorbei an der alten Villa. Vermutlich war der Besitzer gerade wieder in Afrika, aber ich hatte seinen Sohn vom Parkplatz der Schule fahren sehen, in einem Kübelwagen mit offenem Verdeck. Ihm war alles zuzutrauen, sogar daß er sich mittags um zwölf mit einem Mädchen beschäftigte. Ich nahm ein paar Schritte Anlauf und zog mich an der Mauer hoch. Zwei, vielleicht drei Sekunden lang sah ich in den Garten, sah ihn auf dem Rasen liegen, nackt, mit einer Sonnenbrille und einer Zigarette im Mund. Ich ließ los, fiel rückwärts, sprang wieder auf und rannte. Als ich das Ende der Mauer er-reichte, stand er plötzlich vor mir, in zerschlissenen grauen Shorts; sonst hatte er nichts an. Seine Augen waren grün, und sein Gesicht glänzte. An der Spitze seiner Nase hing ein Schweißtropfen.
    »Auf die Fresse«, sagte er.
    Ich drückte die Schultasche an mich und rannte an ihm vorbei. Er erwischte mich an der Jacke. Ich schlug nach ihm, kam los, rannte die Straße runter, drückte unser Gartentor auf und zwängte mich durch. Ada hockte im Rosenbeet, eine Schaufel in der Hand.
    »Was ist passiert?« fragte sie. Sie trug das gelbe Kleid.
    Er kam durch das Tor in den Vorgarten. Als er sie sah, setzte er eine freundliche Miene auf, räusperte sich und drückte das Kreuz durch.
    »Dein Bruder schnüffelt bei uns rum.«
    Sie richtete sich auf.
    »Von mir hat er das nicht«, sagte sie.
    Er brummte und strich sich über den Bauch. Ein schmaler Streifen Haare zog sich vom Nabel zum Bund seiner Shorts.
    »Ich bin Eric«, sagte er.
    Ada wischte sich mit dem Arm eine Strähne aus der Stirn.
    »Wohnst du hier?« fragte sie.
    »Die Straße runter, am Ufer. Gleich da hinten beim Bootsschuppen.«
    »In dem alten Haus?«
    Er nickte.
    »Das ist ein schönes Haus«, sagte sie.
    Er sah zu Boden, als sei es ihm peinlich, in so einem Haus zu wohnen, aber ich spürte, daß er nur spielte. Ada spielte mit, oder sie fiel auf ihn herein. Ich lief zur Tür, schloß auf und warf meine Tasche in die Ecke. Mein Vater stand am Küchentisch bei der Saftpresse. Gerade halbierte er mit unserem Brotmesser Orangen.
    »Ein Kerl ist im Garten«, sagte ich.
    »Guten Tag«, sagte mein Vater. Er drückte den Hebel der Presse runter und grinste mich an.
    »Guten Tag«, sagte ich, »da ist ein Kerl im Vorgarten, er spricht mit Ada!«
    »Orangensaft?«
    »Er tut ihr was!«
    Wir gingen ins Klavierzimmer. Mein Vater schob den Vorhang zur Seite, trat zurück in den Schatten des Raums und sah ins

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