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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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unten im Flur. Mein Vater sagte: »Bis nachher.« Dann passierte nichts, bis nach ein paar Minuten das Garagentor quietschte. Ich lief zum Fenster und sah, wie der BMW auf die Straße bog. Ich wusch mir im Bad das Gesicht und ging runter.
    Mein Vater saß am Eßtisch. Er hielt in der einen Hand einen Stift und in der anderen das Glas, an dessen Rand ich den roten Abdruck von Adas Lippenstift sah.
    Vor ihm lag ein Zettel. Er hatte Zahlen darauf geschrieben, von denen manche eingekreist oder doppelt unterstrichen waren. Ich rückte einen Stuhl zurecht und setzte mich ihm gegenüber.
    »Sie war bei ihrer Familie«, sagte er. »Ihr Vater ist krank. Er hat was an der Bauchspeicheldrüse.«
    Ich fragte mich, ob das stimmte und was er mit ihr besprochen hatte. Vielleicht hatte sie den Umschlag geholt. Mein Vater drehte den Stiel des Glases in der Hand, stellte das Glas auf den Tisch, tauchte den Zeigefinger in die Flüssigkeit und strich dann über den Rand, bis ein Ton entstand.
    »Kanntest du Max?« fragte er. »Max von der HEW?«
    »Der mit dem Fagott«, sagte ich.
    »Genau. Max, der Fagottspieler. Er konnte noch andere Instrumente spielen, zum Beispiel Maultrommel. Manchmal blies er >A Fine Romance< auf seinem Taschenkamm, oder er füllte einfach ein paar Sektgläser mit Wasser und spielte das Adagietto aus Mahlers Fünfter Symphonie.«
    Ich sah, daß er versuchte, ernst zu bleiben. Er prustete durch die Nase. Ich biß mir fest auf die Zunge, aber es half nicht, ich mußte lachen, und plötzlich lachten wir beide, obwohl ich dachte, daß dieses Gelächter so wenig mit der Glasorgel und Gustav Mahler zu tun hatte, wie Max ein begnadeter Musiker war.
    »Ada ist zu ihrer Freundin gefahren. Sie holt ihre Sachen«, sagte mein Vater. »Wir haben vereinbart, daß sie fürs erste bei uns wohnen kann.«
    Er steckte den Zettel mit den Zahlen in die Brusttasche seines Hemdes.
    »Die Kammer im Dachboden«, sagte er. »Wenn wir die Kisten und all das Zeug in den Keller stellen, ist da Platz für einen Schreibtisch, einen kleinen Schrank und ein Bett.« Er beugte sich runter und kratzte sich am Knöchel des verbundenen Beines.
    »Du hast doch nichts dagegen?«
    19
    Ich war schon seit einigen Jahren nicht mehr unterm Dach gewesen. In Umzugskartons, Schachteln und Tüten lagerten dort die Dinge, die meiner Mutter gehört hatten - Bücher, Wäsche, ihre Kleider, die Staffelei, das Malzeug.
    Nach ihrem Tod hatte mein Vater gelebt, als sei nichts passiert. Regelmäßig hatte er Überweisungsvordrucke ausgefüllt und mich damit zur Bank geschickt - ihre Mitgliedschaften beim VfL und bei Inner Wheel, das »Merian«-Abonnement, die jährlichen Spenden an die Hamburger Kunsthalle und an ein SOS-Kinderdorf in Namibia. Ihre Kleider hingen im Schlafzimmer schrank, die Unterwäsche lag in der Kommode, und in der Dachkammer stand noch die Staffelei mit diesem Bild, auf dem man schon einen Jungen ahnte, die Augen, den Mund, die Form des Kopfes - einige zarte Bleistiftstriche und hautfarbene Tupfer. Auf einem Schemel hatten Pinsel, gequetschte Tuben und die Palette mit getrocknetem Weiß und dem hellen Braun für die Haare gelegen.
    Schließlich, vor vier oder fünf Jahren, als er sich wieder mit Frauen traf, hatte mein Vater am Pfingstwochenende alles verpackt und nach oben geschafft. Er wollte sogar die Chiffonnière ihres Vaters verkaufen. Ein Auktionator aus Harvestehude hatte schon eine Schätzung gemacht, aber als Hans von der HEW mit seinem Kleintransporter kam, hatte er nur mit ihm gegrillt und ihn am Abend heimgeschickt. Die Nacht hatte er allein auf der Terrasse verbracht. Ich hatte am offenen Fenster gelegen, seinem Schweigen gelauscht und die trockenen Plopps der Weinkorken gezählt. Am nächsten Tag war er noch einmal auf den Dachboden gestiegen, hatte ihr Necessaire und die Parfumflacons geholt und die Sachen wieder an ihren alten Platz im Bad gestellt. Ich wußte, daß er sich damals mit dem Betriebsarzt der HEW duzte und mit ihm an den Wochenenden nach St. Pauli ging und daß der Betriebsarzt ihm einmal im Monat diese Tabletten verschrieb.
    Im Laufe der Zeit hatte er sich immer mehr auf die HEW konzentriert. Er sprach von seiner Arbeit wie von einer Geliebten. Er gab es auf, den Pariser Makler anzurufen, sich für Stellen in Bordeaux oder in Marseille zu bewerben. Zuletzt hatte er die gerahmte Photographie meiner Mutter, auf der sie schon mager und blaß war und sich am Stamm einer Weide stützte, zwischen den Aktenordnern in seinem

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