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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Boden. Ada stand still; ich konnte sie nicht mal atmen hören. Manchmal glaubte ich, daß man blamable Ereignisse abhaken könne oder daß sie gar nicht passierten, solange man einfach schwieg, aber Erwachsene witterten sie wie ein Hund die Ausscheidung seines Welpen.
    Schließlich trat sie ans Fenster.
    »Was ist denn da passiert!«
    »Das Dach ist undicht«, sagte ich. »Der Regen ist reingelaufen.«
    Sie lehnte sich so weit hinaus, daß ich Angst hatte, sie würde fallen. Sie trug keine Socken, und ich sah ihre nackten Achillessehnen.
    »Ist das alles von deiner Mutter?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Und deine Mutter wohnt noch immer bei der Tante, die Obstbäume züchtet?«
    Mein Magen knurrte.
    »Nein«, sagte ich. »Meine Mutter ist tot.«
    »Ich weiß.« Sie zuckte die Schultern. »Dein Vater hat es mir erzählt.«
    Plötzlich stand er im Wohnzimmer. Sein Hemd und die Hose waren dreckig, und an den Schläfen klebte Staub, an Stellen, wo er sich gekratzt hatte.
    »Hat alles geklappt?«
    Ada nickte. Mein Vater nahm ihr den Wagenschlüssel ab, hielt ihn mir hin und sagte, ich solle das restliche Gepäck und ihren Computer aus dem Kofferraum holen, in einem Ton, der kaum Zweifel ließ, wer von uns beiden der Boß war.
    Dann sagte er: »Laß dir Zeit. Am besten, du ißt erst mal was.« Er strich mir mit seiner dreckigen, rauhen Hand über den Kopf.
    »Vorher mache ich im Garten klar Schiff.«
    Er sah mich an.
    »Nein, du ißt jetzt was. Und dann wirst du das Gepäck holen.«
    Ich ging in die Küche, nahm die letzte Banane aus dem Obstkorb und warf sie draußen ins Gebüsch. Dann ging ich ums Haus herum, riß das Garagentor auf, setzte mich in den Wagen und drehte den Schlüssel im Zündschloß. Die Digitalanzeige des Radios begann zu leuchten, aber auf sämtlichen Kanälen war nur dieses Rauschen zu hören. Ich wußte, daß das am Stahlbeton lag, aus dem die Garage gebaut war. Ich wollte den ersten Gang einlegen, aufs Gas drücken und den Rasenmäher samt unseren Schneeschiebern, Besen und Harken an der Wand zermalmen.
    Ich schaltete die Lüftung ein, klinkte den Aschenbecher aus und betrachtete die Kippen, ein schief gewachsenes gelbes Gebiß. Ich nahm sie einzeln heraus, schloß die Augen, hielt mir die Nase zu, dachte an Adas Mund und leckte den Lippenstift von den Filtern.
    »Sie schläft auf dem Sofa«, sagte mein Vater. »Wir werden schon eine Lösung finden.« Er nickte ihr zu und setzte eine alberne Miene auf.
    »Und die Kammer«, sagte sie. »Wenn ich da oben putze?«
    »Da kriegt man Asthma«, sagte mein Vater. »Nur die Ratten halten das aus.« Er sah sie an, dann sah er mich an, und dann sah er aus dem Fenster, auf die schimmeligen Kleiderhaufen und die Kartontürme.
    »Es wird bald dunkel«, sagte er. »Wir sollten das Zeug an die Straße schaffen. Montag sorge ich dafür, daß alles abgeholt wird.«
    20
    Sie war ins Klavierzimmer eingezogen. Die meiste Zeit saß sie an ihrem Computer und tippte. Wenn ich abends ins Bett ging, setzte sie frischen Kaffee auf, und manchmal, wenn ich mich morgens auf den Schulweg machte, sah ich von draußen noch das Grün des Monitors durch die Gardinen schimmern. Einmal pro Woche schickte sie einen Stapel Papier an Philipps. Ihre T-Shirts, Hosen und Röcke lagen in Stapeln auf dem Klavier, aufgeschlagene Lexika und Zettel bedeckten das Parkett. Nachmittags saß sie beim Fluß im Gras und rauchte Zigaretten. Ich stand am Fenster und sah ihr zu, und neben mir stand mein Vater, auf seine Krücken gestützt.
    »Sie braucht ein Bett«, sagte er. »Ein schönes Bett. Und einen Schrank, verstehst du, was richtig Modernes.«
    Wenn Ada im Haus war, hielt er sich meist in ihrer Nähe auf. Ich wollte allein mit ihr sprechen, ihr den Skorpion geben, aber es kam mir so vor, als ob er sie bewachte.
    »Wir kaufen ein paar Möbel«, sagte er, »montieren Jalousien ... wie wär's mit einem bunten Teppich? Mit einem Fernseher?« Er überlegte. »So ein Flacher auf einem Sockel, ein Bang und Olufsen oder ein Loewe!«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Und wenn sie wieder wegfährt? Wer wird dann in dem Zimmer wohnen?«
    »Ada bleibt«, sagte mein Vater. »Sie kann für uns den Haushalt regeln und hat genug Zeit, ihre Übersetzungen zu schreiben.« Er zog den Bund seiner Hose hoch und steckte das Hemd rein.
    »Ihr Vater ist krank«, sagte er. »Sie hat einen Freund, vielleicht sind die beiden sogar verlobt. Er hat was studiert, Politik, glaube ich, und jetzt ist er irgendwo Koch.«
    Ada hatte

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