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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Stamm: »Vom Tod weiß ich nichts mehr / flattert mit Faltern an Lider / und schwarze Fenstersäume / duftet nach Lärche und Fichte / berührt jede Nacht mit Träumen ...«
    Der Dicke zog sein T-Shirt hoch und wischte sich damit den Schweiß von der Stirn. Dann bückte er sich neben ei-nem anthrazitfarbenen Rennrad, öffnete die Tasche, zog einen Bolzenschneider heraus, schnitt das Schloß durch, setzte sich einfach auf den Sattel und fuhr davon.
    Zwei Tage später sagte Madame Sauvage nach der Französischstunde, ich solle noch einen Augenblick warten.
    »Du bist doch oft auf dem Parkplatz. Da werden manchmal Räder geklaut. Hast du vielleicht etwas gesehen?«
    »Nein«, sagte ich.
    Sie senkte den Blick und drückte den Daumen in das Grübchen an ihrem Kinn.
    »Jemand hat dich gesehen. Ein Mädchen aus der fünften Klasse. Es hat dich gesehen, und es hat den Dieb gesehen. Du bist dagestanden und hast alles beobachtet. Das war während der großen Pause nach der vierten Stunde am Dienstag.«
    Ich sagte ihr, daß sie mich am Arsch lecken könne. Sie zog ihren roten Stift hervor, öffnete das Klassenbuch und schrieb einen kurzen Satz hinein, unter den sie ihr Zeichen setzte, ein zackiges, hohes S mit einem Haken hintendran, der das v von »Sauvage« sein sollte.
    Es folgte das übliche Theater, dem sonst Leute ausgesetzt waren, die ich auf dem Schulhof mied, deren Buschmesser, Signalpistolen und Reizgassprays regelmäßig im Stahltresor der Sekretärin verschwanden. Ich wurde beim Rektor einbestellt. Die Nachricht an meinen Vater warf ich bei der Schloßbrücke in den Fluß. Ich hielt das Getue der Fünftkläß-ler auf dem Pausenhof aus, ihr leises Gelächter, die Tuschelei und wie sie zu Boden blickten, wenn man sich umdrehte und ihnen in die Augen sah.
    Als ich am Samstagnachmittag ins Wohnzimmer kam, telefonierte mein Vater, und an der Geste, mit der er mir bedeutete, still zu sein, merkte ich, daß es um mich ging.
    Ich schloß mich in meinem Zimmer ein. Ich wollte nachts zwei Flaschen Bourbon aus dem Gerätekeller trinken und dann flußabwärts zum Sperrwerk schwimmen. Man konnte auch zum Fernsehturm fahren und von der Aussichtsplattform springen. Oder man lief die Gleise entlang nach Osten, Richtung Polen, bis man schließlich müde wurde und sich auf die Schwellen legte.
    Mein Vater klopfte.
    »Mach auf«, sagte er.
    Ich starrte an die Decke. Er schabte mit den Fingernägeln am Holzfurnier der Tür. Dann war es still, aber ich wußte, daß er noch dastand und wartete. Seine Gelenke knackten, als er in die Knie ging, um durchs Schlüsselloch zu gucken.
    »Bist du da?«
    Ich schwieg.
    »Sie hat angerufen.«
    Das klang, als hatten sich die beiden gut miteinander verstanden. Ich stellte mir vor, wie mein Vater Madame Sauvage heimlich traf, sie mittags, wenn das Menü bezahlbar war, ins Le Canard einlud und zwischen Crepes und Käse ihre Hand berührte.
    »Sie wird zurückkommen«, sagte er.
    Ich drehte den Kopf zur Tür.
    »Hast du gehört?«, sagte er. »Ada kommt zurück!«
    18
    Als ich zwei Tage später aus der Schule kam, stand neben dem Schuhschrank im Flur Adas Rucksack. Ich ging in die Küche, füllte ein Glas mit Leitungswasser und trank. Durch das geöffnete Wohnzimmerfenster hörte ich ihre Stimmen im Garten.
    Sie saßen an einem Marmortisch, den ich jahrelang nicht gesehen hatte. Ada trug Schmuck, ein rotes T-Shirt und abgeschnittene Jeans, die endeten, wo ihre Schenkel in den Po mündeten. Sie hielt ein langstieliges Glas in der Hand und redete. Mein Vater saß zusammengesunken da und hörte zu. Er hatte das weiße Hemd an, das zu seinem Sommeranzug paßte. Auf dem Tisch stand der silberne Kühler aus dem Gerätekeller; er war mit Eiswürfeln gefüllt, die in der Sonne glänzten, und aus dem Eis ragte der Hals einer dunklen Flasche hervor. Ada sah traurig aus, sie schüttelte immer wieder den Kopf und zog dabei die Brauen hoch, während mein Vater sie ansah.
    Ich ging in mein Zimmer und rollte mich auf dem Bett zusammen. Ich hatte dieses Gefühl, das ich von früher kannte, wenn mein Vater das Modellflugzeug reparierte -manchmal mußte der Motor auseinandergeschraubt werden, oder das Leitwerk war verklemmt: Obwohl ich wußte, daß mein Vater technisch versiert war, hatte ich Angst, er könne mit dem Schraubenzieher abrutschen und das Cockpit oder eine Tragfläche zertrümmern.
    Ich lag eine Stunde da und versuchte, einzuschlafen, damit die Zeit schneller verging. Plötzlich hörte ich ihre Schritte

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