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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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Büro verschwinden lassen.
    Die Treppenstufen knarzten; ich hatte Angst, daß sie nachgeben würden. Mein Vater drehte den Schlüssel im Vorhängeschloß der Sperrholztür und rüttelte, bis sie aufging. Ein Schwall feuchter Luft kam uns entgegen. Es roch nach vermodertem Laub.
    »Gott«, sagte mein Vater. Er lehnte die Krücken gegen die Wand und tastete nach dem Lichtschalter. Plötzlich mußte ich würgen.
    »Der Strom geht nicht«, sagte er. »Wahrscheinlich ein Kurzschluß.«
    Ich holte den Bauscheinwerfer und ein Verlängerungskabel aus dem Keller. Mein Vater stellte den Scheinwerfer auf den Bretterboden. Ich nahm das Kabel, ging runter ins Bad und steckte den Stecker in die Dose. In dem Moment, als das Licht anging, hörte ich meinen Vater stöhnen. Ich hielt mir die Nase zu und stieg wieder hoch. Zuerst glaubte ich, die weiße Schicht an den Wänden und auf den Kartons sei Staub.
    »Da«, sagte mein Vater. Er deutete auf die feuchten Flecken an der hinteren Dachschräge. Neben dem Schornstein war ein Loch, durch das man die Wolken sehen konnte. Ich hörte die Mäuse laufen, das Scharren ihrer winzigen Krallen.
    »Dahinter hat sich das Wasser gesammelt«, sagte mein Vater. Er deutete mit seiner Krücke auf die silberne Isolierfolie. »Und durch das Loch da oben ist es reingelaufen. Wie lange haben wir hier nicht gelüftet? Zwei Jahre? Drei?«
    Wir saugten die Schimmelbeläge mit dem Staubsauger weg. Ich trug alles in den Garten: aufgeweichte Pappkartons, die brachen und zerfielen, Tüten, in denen das Wasser stand, zerfressene Notenhefte. Mein Vater breitete den Inhalt der Kartons auf dem Rasen aus, feuchtes Papier, durchweichtes Leder, muffige Wäsche. In einer stinkenden gelben Bluse lag ein toter Marder. Er stieß ihn mit der Krücke weg.
    »Hol einen Spaten«, sagte er.
    Er schippte den Marder in den Fluß, schüttelte seinen Kopf und ließ sich neben einem Haufen Strumpfhosen ins Gras fallen.
    »Was sind wir für Leute«, sagte er.
    Ich trug noch einige Koffer, einen Nachttisch und ein paar Bilder runter, die meine Mutter als Studentin in Tübingen gemalt hatte. Der Schimmel saß auf den Leinwänden wie auf einer Scheibe Brot.
    Schließlich war die schmale Tür frei, hinter der die Kammer lag. Vor dem Krieg hatte dort das Dienstpersonal gewohnt. Ich konnte mich an die Waschschüssel und an den Nachttopf erinnern und an das leere Bettgestell, in dem meine Mutter »Vogue«, »Art« und all die anderen Magazine gesammelt hatte.
    Mein Vater stemmte die Tür mit einer Eisenstange auf. Ich holte den Bauscheinwerfer.
    »Leuchte da rüber«, sagte er.
    Der Schimmel war durch die Ritzen gewandert. Er bedeckte sogar das kleine Fenster, durch das man sonst den Fluß sah. Unter einem zerfressenen Laken zeichnete sich die mannshohe Silhouette der Staffelei ab. Mein Vater mußte husten.
    »Hol mir ein Bier«, sagte er. »Nein. Hol ein Glas Wasser.«
    Er wischte sich mit dem Hemdsärmel über die Augen und strich sein Haar aus der Stirn. Ich lief ins Bad und füllte Wasser in einen Zahnputzbecher.
    »Gut«, sagte mein Vater. Er trank den Becher in einem Zug leer. Wir starrten in die Kammer, auf den weißgrauen Belag, der den Holzboden bedeckte, die Möbel und die Zeitschriftenstapel.
    »Es hat keinen Sinn«, sagte er. »Wir müssen das alles wegschmeißen.«
    »Und wenn wir einfach rausgehen und die Tür wieder zumachen?«
    Er prustete. Ein dünner Faden hing ihm aus der Nase.
    »Du hast Ideen«, sagte er. »Dann kommt der Moder im Herbst durch die Decke in unsere Schlafzimmer.«
    Unten klingelte es.
    »Da ist sie schon«, sagte mein Vater.
    Ich rannte runter und machte die Tür auf. Ada stand da, sie war schmal geworden und hatte dunkle Augenränder. Über der Schulter trug sie eine große Reisetasche.
    »Und«, sagte sie. »Wie geht's?« Ihre Stimme klang heiser.
    »Gut«, sagte ich. »Und dir?«
    »Wunderbar«, sagte sie. »Quatsch. Schlecht. Du kennst das Gefühl, oder?«
    Ich wollte sie umarmen, aber ich riß mich zusammen und trug die Tasche ins Wohnzimmer. Sie kam mit schnellen, leisen Schritten hinter mir her.
    »Dein Vater«, sagte ich.
    Sie verschränkte die Arme vor ihrem Bauch.
    »Ich meine, seine Bauchspeicheldrüse. Da hat er was.«
    »Unter anderem.«
    Ihre Füße steckten in Turnschuhen. Sie trug eine Trainingshose und einen braunen Parka. Ihre Lippen waren gesprungen und trocken.
    »Grüße von Agnieszka. Ich habe mein Zeug bei ihr abgeholt. Sie hat mir erzählt, daß du sie besucht hast.«
    Ich sah zu

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