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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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das Mädchen immer noch nicht aufsah, meinte sie: »Sie ist so faul. Ich werde ihr Beine machen.«
    »Die Ärmste ist selbst krank. Sie verträgt die Bewegung des Schiffes nicht.« Hannah ging zu Hatice und legte ihr eine Hand auf die Stirn. »Sie ist ganz kalt und verschwitzt.« Hannah nahm Hatice die kleine Gülbahar aus den willenlosen Armen und hielt sie Tarsi hin. »Seht nur, auch Euer eigenes Kind ist ganz schwach.«
    »Heute Morgen war Hatice noch kerngesund. Sie hat mit Gülbahar herumgealbert, Flöte gespielt und meinen Mädchen Lieder vorgesungen.«
    »Sie braucht etwas Wiederbelebendes.«
    Tarsi hob ein Stück Lokum, eine türkische Süßigkeit, vom Boden auf und hielt es Hatice hin, die aber immer noch nicht reagierte. »Was sollen wir jetzt machen?«, fragte Tarsi.
    »Wir müssen sehen, dass sie wieder zu Kräften kommt.« Hannah öffnete das Bullauge. Kühle Luft drang herein.
    »Das arme Ding. Schon am ersten Abend unserer Reise wird sie krank.« Da keine Männer da waren, trug Tarsi ihren Schleier wie einen Schal um die Schultern gelegt.
    Tarsi und Hannah legten die Kinder schlafen und brachten dann Hatice in ihre Koje. Hannah half Hatice, sich die Jacke aus bestickter Seide auszuziehen. »Tarsi, ich habe Bockshornklee und Benediktenkraut in meiner Tasche. Wenn Ihr Hatice damit einen Tee kocht, wird sich die Ärmste wieder erholen.«
    Minuten später schon kam Tarsi mit einer Tasse stark duftenden Tees zurück. Sie hielt ihn an Hatices Lippen. »Trink, meine Liebe. Der Tee wird ihr helfen, wieder zu Kräften zu kommen.«
    Als Hatice die Tasse geleert hatte, fielen ihr die Augen zu, und sie blieb fast eine Stunde regungslos liegen, während Matteo vor sich hin jammerte und Tarsis Mädchen friedlich schliefen. Dann wachte sie wieder auf, und es ging ihr viel besser. Der leere Ausdruck in ihren Augen war dankbarer Erleichterung gewichen, als sie Hannah ansah. Jetzt war sie bereit, Matteo zu stillen. Hannah gab ihr das Baby. Hatice entblößte ihre Brust, und nach einem ersten vergeblichen Versuch nahm Matteo ein paar Schlucke, schien dann aber einzuschlafen.
    »Komm schon, gib nicht auf.« Hannah kitzelte ihn an den Füßen.
    Matteo wachte auf, und dieses Mal bekam er mehr von der Brustwarze und dem sie umgebenden Hof zu fassen. Hannah beugte sich so nahe wie möglich zu ihm hin, ohne ihn zu stören. Ein Spuckebläschen formte sich auf seiner Lippe und seine Wangen arbeiteten kräftig. Er hielt Hatices Brustwarze sicher umschlossen, und als er schließlich erschöpft einschlief, sah Hannah so erfreut wie erleichtert, dass sich ein kleines Rinnsal Milch im Winkel seines Mundes zeigte.

Kapitel 23

    A ls Isaaks leckendes Boot endlich die Provveditore erreichte, schickte die Dämmerung Fäden roten Lichts durch den Morgennebel, und die Schauerleute eines breiten Lastkahns luden Weizen und Holz auf die Galeone. Gott sei Dank für die Verspätung, dachte Isaak. Vielleicht wendet sich ja doch noch alles zum Guten. Der Kapitän ging an der Backbordseite des Schiffes auf und ab und sah den Männern zu, die in der kalten Luft schufteten.
    Schweiß brannte in Isaaks Augen, und er vermochte kaum mehr die Ruder zu halten, so voller schmerzhafter Blasen waren seine Hände. Immer mehr Wasser drang in das Boot ein, und einzig vorne am Bug gab es noch eine trockene Stelle. Obwohl der Nebel den im grauen Licht liegenden Hafen verschleierte, konnte er doch entdeckt werden, und so steuerte er auf die Seeseite des Schiffes, so weit weg von den Schauerleuten wie nur möglich. Wenn er nur schnell genug war, würde er vielleicht nicht entdeckt werden und vermochte an Bord zu gelangen, solange der Kapitän und die Mannschaft mit dem Laden der Fracht beschäftigt waren. Er hörte, wie sich die Schauerleute Dinge zuriefen, die er nicht verstand, und fluchend die schweren Säcke voller Weizen und Holz auf die Galeone schleppten. Sooft Isaak in den letzten Monaten den örtlichen Dialekt auch gehört hatte, klang er doch immer noch so zischend und reibend in seinen Ohren, als wären sämtliche Vokale aus den Worten gefallen.
    Er zog fest an den Rudern, derart fest, dass eines splitternd brach, als er längsseits die Provveditore erreichte. Mit beiden Händen griff er nach einer Rippe des Schiffes, um zu verhindern, dass sein Boot gegen dessen Rumpf schlug.
    Das riesige Schiff ließ Isaaks Boot wie die sprichwörtliche Nussschale wirken. Isaak kam die Provveditore groß wie die Basilika San Marco vor. Oben von Deck musste er wie ein

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