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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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Stück Treibgut wirken. Isaak reckte den Hals, um ein paar von den Männern in den Blick zu bekommen, die wie Ameisen auf den Decks umherwimmelten. Ein Seemann beugte sich über die Reling und warf einer schwarzköpfigen Möwe ein Stück Brot zu, das sie im Flug fing, um gleich anschließend, als nicht mehr davon kam, zum nächstliegenden Schiff weiterzufliegen. Ein Stück weiter, über seinem Kopf, sah Isaak eine aus Fassdauben gefertigte Strickleiter im Rhythmus der Wellen gegen die eichenen Seiten des Schiffes schlagen. Wenn er sich aufrecht stellte, würde er sie erreichen und sich daran hochziehen können.
    Aber erst musste er alles vorbereiten und die mitgebrachten Zweige und den Tang so aufschichten, dass jede Schicht ausreichend Luft enthielt. Mit zitternden Fingern rieb er zwei Stöcke über einem Büschel trockenen Grases aneinander, und als er mit einem Funken und einer dünnen, aus dem Gras aufsteigenden Rauchfahne belohnt wurde, holte er halb zerfallenen Tang und ausgetrocknete Kiefernzapfen aus seiner Tasche und legte sie darauf. Er wartete, bis der Zunder zu glimmen anfing, schob ihn zwischen die Zweige und blies, bis sich dicker Rauch aus dem nassen Holz des kleinen Bootes hob. Als das Feuer richtig brannte, gab er der Piroge einen Tritt mit dem Fuß und kletterte die Leiter hinauf.
    Flink erklomm er eine um die andere Sprosse, und mit jedem Tritt auf die nächsthöhere Daube rammten seine Zehen gegen die Bordwand. Oben angekommen, kauerte er sich so hin, dass er von Deck aus nicht gesehen werden konnte, und blickte nach unten. Orangefarbene Flammen verwandelten das kleine Ruderboot in eine schwimmende Fackel, und schon hörte er einen Mann in der Takelage »Feuer!« schreien. »Alle Mann an Deck!«
    Sie kamen von überall her. Es herrschte große Verwirrung. Die Seeleute, die bis eben noch damit beschäftigt gewesen waren, Segeltaschen und Gerätschaften zu verstauen, die Seile gespleißt und mit gefährlich aussehenden gebogenen Nadeln Segel geflickt hatten, rannten an die Reling und sahen zu dem brennenden Boot hinunter, das gegen den Rumpf der Provveditore schlug. Vor Schreck schienen die meisten nicht zu wissen, was sie tun sollten.
    Aber schon ertönten zwei, drei Befehle, die Männer bildeten eine Kette, ein Eimer Wasser nach dem anderen ergoss sich auf Isaaks brennende Piroge, und niemand bemerkte, wie er an Deck kroch und in einen der Laderäume sprang. Er landete auf allen vieren und stieß mit der Hand gegen etwas Weiches, Nachgebendes: den toten Körper einer mächtigen Ratte. Er kroch zwischen dem aufgeschichteten Holz und den Säcken mit getrockneten Bohnen entlang, bis er den vertrauten Geruch von Schafspisse wahrnahm, mit der sie den Stoff von Segeln stärkten und die ihn zu den Segeltaschen führte. Er tastete sich zur größten der Taschen vor, in der wahrscheinlich ein Ersatz für das Hauptsegel steckte, öffnete sie, schob das Segel, so gut es ging, zur Seite und schuf sich so Raum für den eigenen Körper. Endlich kroch er bis zum Hals hinein und drapierte die Verschlussklappe wie die Kapuze einer Mönchskutte lose über seinem Kopf. Das stinkende Tuch erinnerte ihn an Joseph.
    An Deck oben ächzten die Seeleute, die immer noch mehr Eimer Wasser heranschafften und über dem brennenden Boot auskippten. Manche schrien etwas auf Venezianisch, andere auf Maltesisch.
    Er befühlte den Beutel mit den Seidenspinnerpuppen, der ihm um den Hals hing. Sie schienen sicher und trocken, und seine Gedanken wanderten zu dringlicheren Dingen. Was, wenn er seine Sache zu gut gemacht hatte und das Schiff Feuer fing? Aber wenig später verklangen der Lärm und die Rufe, und er hörte, wie ein Boot mit Männern beladen wurde und auf der Provveditore eine seltsame Ruhe eintrat. Isaak kletterte aus seiner Segeltasche und streckte den Kopf vorsichtig aus der Ladeluke.
    Das Deck lag verlassen da. Die Hängematten, die voller sich ausruhender Männer hätten sein sollen, schwangen leer hin und her. Er kroch zur Seite des Schiffes und spähte über die Reling. Die Mannschaft drängte sich in einer mächtigen Piroge voller Wasserfässer, die sie, wie Isaak begriff, zurück an Land brachten, um sie mit frischem Trinkwasser zu füllen. Sein Plan funktionierte besser, als er gehofft hatte. Die Männer gingen an Land, um ihre Wasservorräte aufzufrischen und vielleicht ein letztes schnelles Glas in der Taverne zu trinken, bevor es losging.
    Er kletterte zurück in den Laderaum, den dunklen, vollgepackten Ort,

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