Die Hebamme von Venedig
überlegte, ob er ihm folgen sollte, sah dann aber die Schale mit den Äpfeln vor sich und roch den Teig, der bald in den Ofen geschoben werden würde. Seit wie langer Zeit hatte er kein frisches Brot mehr gegessen?
»Normalerweise wäre es anstößig, wenn ein Mann hier im Kloster lebte«, sagte Assunta. »Aber wenn du Jesus als deinen Retter akzeptierst und konvertierst, werde ich mit dem Bischof sprechen, damit er eine Ausnahme macht. Ich werde dir Unterkunft, Essen und Arbeit geben. Du kannst die Kapelle fegen und uns mit der Wäsche helfen. Du bist ein gutaussehender Mann, oder wirst es wieder sein, wenn du ausreichend zu essen bekommst. Solch ein Mann wird eine Versuchung für unsere Novizinnen sein, von denen einige, wie ich mit Bedauern sagen muss, nicht aus geistlicher Hingabe hier sind, sondern weil ihre Familien ihnen keine Mitgift ausrichten können. Ich werde die Mädchen wie ein Schäferhund bewachen, und du wirst im Ziegenstall schlafen. Was sagst du dazu? So lebst du gemütlich, bis sie dein Lösegeld zahlen.« Als er nicht gleich darauf antwortete, sagte sie: »Oder willst du lieber in den Straßen von Valletta betteln gehen?«
So hartherzig, wie er die Malteser bisher erlebt hatte, würde er verhungern, wenn sie ihn hinauswarf. »Mein Volk hat versklavt im Land der Pharaonen gelebt, dennoch haben sich die alten Israeliten durchgesetzt, und ich werde es ebenso tun.« Selbst für seine eigenen Ohren hörte sich das abenteuerlich an.
»Sei kein Narr. Konvertiere. Du wirst deine Entscheidung nicht bedauern.«
Es gab keinen Grund, sich seine Wohltäterin zur Feindin zu machen. Er räusperte sich. »Ich will es nicht für alle Ewigkeit ausschließen, aber im Moment …«, er griff wieder nach dem Messer, »werde ich erst mal diesen Rosmarin hier klein schneiden.«
»Du verstehst mich nicht!«, sagte Schwester Assunta und nahm ihm das Messer weg. »Wenn du nicht konvertierst, kannst du nicht hierbleiben. Du würdest geheiligten Grund entweihen. Das darf ich nicht erlauben.« Sie sah ihn streng an. »Ich gebe dir die Möglichkeit, dein Leben auf Erden und im Himmel zu genießen. Wie Christus gesagt hat: ›Folget mir, und ich gebe euch das ewige Leben.‹«
»Ich bin Euch dankbar, Schwester, für alles, was Ihr für mich getan habt, aber ich werde nicht konvertieren.« Es würde nicht helfen, wenn er ihr offen sagte, was er dachte. Am liebsten hätte er ihr erklärt: Ich werde erst konvertieren, wenn meine Vorhaut nachwächst , aber das Wort »Vorhaut« hätte sie sicher verlegen gemacht. Christen waren empfindlich, wenn es um körperliche Dinge wie Vorhäute und Monatsblutungen ging, und doch liebten sie ihre Bilder von der Kreuzigung Christi, auf denen ihm das Blut von Händen und Füßen troff und Dornen seinen Kopf durchstachen. Der nichtjüdische Geist war unergründlich.
War das also der Preis christlichen Mitleids? Dass ihm nur dann Zuflucht und Essen zuteilwurden, wenn er konvertierte? Er spürte, wie sein Gesicht rot anlief, aber er war ein Sklave und nicht in der Position, wütend zu sein. Seine Aufgabe war es, zu überleben. Vielleicht konnte er sie ablenken, wie man ein Kind ablenkte.
»Soll ich Euch aus der Bibel vorlesen?«, bot Isaak an. »Vielleicht ist das eine sinnvollere Aufgabe für mich, als Gemüsebeete umzugraben oder Ziegen zu hüten.«
»Woher sollte ich eine Bibel nehmen? Es gibt keine Bücher im Kloster.« Sie sah ihn ungeduldig an. »Ich biete dir das Geschenk des ewigen Lebens.«
Und dazu gleich auch noch das Wunder der unbefleckten Empfängnis, der wunderbaren Brotvermehrung und des Lazarus, der sich von seinem Totenlager erhebt. Die Gutgläubigkeit der Nichtjuden kannte keine Grenzen.
Als er darauf nicht antwortete, verhärtete sich Schwester Assuntas Gesichtsausdruck. »Warum willst du dich an eine so lächerliche Religion klammern? Weil ein Schwein nicht zum menschlichen Verzehr taugt? Weil ich Gott beleidige, wenn ich gleichzeitig ein Stück Käse und ein Stück Fleisch esse? Weil …«, an dieser Stelle wurde sie auf eine Weise rot, die er für so rührend wie grotesk hielt, »weil eine Frau sich jeden Monat zu reinigen hat, bevor sie ins Bett des Mannes zurückkehren darf?«
Wenigstens schien sie mehr über seine Religion zu wissen als der Großteil der Christen.
»Ich biete dir nicht nur Essen und Zuflucht, sondern auch, einer Religion zu entsagen, die immer nur Hohn und Hass auf sich ziehen wird.«
Isaak sah in ihr entschlossenes Gesicht und überdachte
Weitere Kostenlose Bücher