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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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für die das Spektakel vorüber war, begannen sich ungerührt zu zerstreuen.
    Endlich trat eine hellhaarige Frau mit breiten, eckigen Wangenknochen und Grübchen in den Wangen vor. »Hier sind fünf Scudi für Euren Segen, Schwester«, sagte sie.
    Schwester Assunta nahm das Geld mit einem kaum erkennbaren Nicken des Kopfes entgegen, warf es Joseph zu und holte Isaak aus dem Wagen. Joseph starrte die hellhaarige Frau an und schien ihr folgen zu wollen, doch sie verschwand so schnell in der Menge, wie sie aus ihr aufgetaucht war.
    Schwester Assunta drückte Isaak ihren kleinen weißen Hund in den Arm. »Hier, halte ihn, während ich meinen Karren hole.«
    Der Hund störte sich nicht an Isaaks Ungewaschenheit, im Gegenteil, sein Geruch gefiel ihm bestens. Er zappelte aufgeregt in Isaaks Armen und leckte ihm übers Gesicht. Schwester Assunta kam mit einem Karren zurück, dem einige Bodenbretter fehlten und der von einer alten, ausgemergelten Rotschimmelmähre gezogen wurde. Den Hund im Arm, kletterte Isaak auf den Wagen.
    Die Handgelenke Schwester Assuntas waren so dick wie Isaaks Bizeps, ihr Gesicht so rau und kantig wie Malta selbst. Das saubere Wasser, die gute Luft, das Beten und viel gesundes Essen ließen die Nonnen in Valletta offenbar bestens gedeihen. Was für eine Art Mensch war sie?, fragte sich Isaak. Mit diesen Händen, diesen Füßen und dieser tiefen Stimme – war sie männlich, weiblich oder eine Art Mittelding und vereinigte die unangenehmsten Seiten beider Geschlechter in sich? Von Hannah mit ihrer sanften Stimme und ihrem seidigen Haar unterschied sich Schwester Assunta ebenso sehr wie von ihm.
    Nach einer stummen, holprigen Fahrt über die Küstenstraße bog Schwester Assunta schließlich auf einen Pfad, der zu einem unansehnlichen, groben Gebäude über dem Meer führte. Isaak atmete tief ein und sah sich um. Die Luft war mit dem Duft von Kiefern, Rosen und Salz gewürzt. Er gratulierte sich zu seinem Glück. Ein offenbar gut gepflegter Weinberg bedeckte einen nahen Hang, und hinter der kleinen Klosterkapelle erstreckte sich ein Obstgarten mit blühenden Orangenbäumen. Gut genährte, freche Hühner scharrten auf dem Hof vorm Haus. Assunta warf die Zügel einer wartenden Mitschwester zu und führte Isaak in die Klosterküche. Säcke voller Steckrüben, Möhren und Zwiebeln lehnten an den Wänden, und von einem Haken an der Decke hing eine Rinderhälfte. Es gab schlimmere Orte, um auf seine Freilassung zu warten.
    Schwester Assunta nahm ihren Schal ab und schob den Nonnenschleier zurück, worauf einige störrische Strähnen braunen Haars zum Vorschein kamen. Schon machte sie sich daran, einen Brotteig zu mischen, maß mit den Händen Mehl in eine riesige Schüssel und rührte mit einem mächtigen Holzlöffel Wasser und saure Milch darunter. Nach reichlichem Rühren und Mischen schien der Teig die richtige Konsistenz zu haben, und sie formte ihn zu einem Laib von der Größe eines kleinen Lammes, hob ihn über den Kopf und ließ ihn auf den Tisch vor sich knallen.
    Isaak stand mit herabhängenden Armen dabei und versuchte auf etwas zu kommen, womit er sich nützlich machen konnte. Der Teig kam ihm etwas klebrig vor und brauchte womöglich mehr Mehl.
    »Ich danke Euch, dass Ihr mich gerettet habt«, sagte er und zog einen Sack Mehl vom Schrank in ihre Reichweite. »Ihr habt mich vor dem Tode bewahrt.« Zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Malta hatte er das Gefühl, für etwas dankbar sein zu können. »Gott wird Euch Eure Güte vergelten.«
    Er hatte seit Monaten kein Brot mehr gegessen, das nicht voller Ungeziefer saß. Er blickte zu der Schüssel mit Weintrauben, die auf dem Tisch mitten im Raum stand. Was Obst betraf, so hatte er seit seiner Abreise aus Venedig nicht mehr als einen wurmstichigen Apfel zu sich genommen.
    Schwester Assunta schenkte dem Mehl keine weitere Beachtung, unterbrach aber ihr Kneten. »Du solltest dieser Frau aus der Menge danken, falls du ihr je begegnen solltest. Ich glaube, ihr Name ist Gertrudis«, und mit einer Stimme, die nicht zu Fragen einlud, fügte sie gleich noch hinzu: »Sie ist eine Frau von leicht zweifelhafter Bekanntheit.« Schwester Assunta schob sich eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht. »Es wäre eine Sünde gewesen, dich Joseph zu überlassen.« Sie vollführte eine steife Drehung mit dem Oberkörper und sah ihn an. Da war ein Leuchten in ihren Augen. »Joseph und ich haben schon verschiedentlich die Klingen gekreuzt. Bisher habe ich immer die

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