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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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Oberhand behalten.«
    »›Freue dich nicht über den Fall deines Feindes‹«, zitierte Isaak die Thora.
    »Gut gesagt«, antwortete Schwester Assunta, »aber schwer zu befolgen.«
    Er wünschte, sie würde sich ihm zuwenden beim Reden, damit er ihren Gesichtsausdruck erkennen konnte, aber ihre Bewegungen hatten etwas seltsam Ungelenkes, ganz so, als trüge sie statt ihrer Ordenstracht eine Ritterrüstung. Ihr Malteser Dialekt war voller schwammiger Vokale und harter Reibelaute. Einige der Worte, die sie verwendete, kannte er nicht, konnte ihren Sinn aber immerhin erraten; einige verwirrten ihn.
    Schwester Assunta sagte: »Die Bibel verbietet die Sklaverei nicht. Im Gegenteil, es heißt in ihr: ›Ihr Sklaven, gehorcht euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern, mit ungeteiltem Herzen, als gehorchtet ihr Christus!‹« Damit begann sie wieder zu kneten, gab dem Teig einen weiteren Schlag und fuhr fort: »Allerdings verbietet sie es, nichts zu tun, wenn man Zeuge eines Unrechts wird. Ich wusste, dass Joseph dich umgebracht hätte.« Mit beiden Fäusten schlug sie in den Teig und formte einen großen Krater in dessen Mitte. »Du musst wissen«, sagte sie und zeigte mit einem mehligen Finger in Richtung Küste, »dass der Malteserorden die Gewässer um Malta schon seit Jahren terrorisiert. Sie sind nicht besser als Briganten.« Mit dem Handrücken rieb sie sich über die Wange und ließ einen Streifen Mehl darauf zurück. »Ja, ich habe dir geholfen, und du bist nicht der Erste.« Schwester Assunta nahm ein Stückchen Teig und ließ es in das aufgesperrte Maul ihres weißen Hundes plumpsen. »Ich habe meine Gründe.«
    Isaak sprach Venezianisch, was sie, wenn er seine Worte langsam und deutlich formulierte, zu verstehen schien. »Was kann ich tun, um Euch meine Dankbarkeit zu erweisen?« Er sah aus dem Fenster. »Ich könnte Eure Weinstöcke schneiden, Euch bei der Ernte helfen. Ihr könnt doch sicher ein Paar zusätzliche Hände brauchen?«
    »Danke mir nicht dafür, dass ich dich gekauft habe. Ich bin nicht barmherzig, wenigstens nicht so, wie es eine Nonne eigentlich sein sollte. Aber wenn ich schon nicht in den Himmel komme, weil ich barmherzig bin, dann doch, weil ich das Unrecht bekämpfe.« Sie schob Teigreste auf dem Tisch zusammen und wischte sie mit der hohlen Hand auf einen Teller.
    »Eine Mizwa ist eine Mizwa, ganz gleich, welcher Grund dahintersteht«, sagte Isaak.
    Schwester Assunta verrieb ein wenig Olivenöl auf dem Teig und gab ihn zum Aufgehen in eine Schüssel. »Unser Brot für heute Abend«, sagte sie und klopfte noch einmal darauf. »Wir sind viele Schwestern, die alle hungrig von der Arbeit im Gemüse- und Obstgarten sind.« Sie nahm eine Zwiebel aus einem Jutesack und begann sie klein zu schneiden.
    »Ich bin ein guter Arbeiter und lerne leicht«, sagte Isaak. »Zudem kenne ich mich in der venezianischen Methode der doppelten Buchführung aus und könnte Euch damit vielleicht helfen.«
    »Wir haben Armut, Keuschheit und Gehorsamkeit gelobt.« Schwester Assunta fuhr mit dem Messer durch die Luft. »Da gibt es keine Bücher und nichts zu rechnen.« Darüber musste sie so sehr lachen, dass sie zu husten begann; sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und sah sich in der Küche um. »Könntest du das Bund Rosmarin holen, das dort drüben an der Decke hängt, und es mir klein schneiden? Schwester Caterina kommt gleich und hilft mir mit dem Rest des Essens.«
    Isaak nahm den Rosmarin, rollte etwas davon zwischen den Fingern und hielt es an die Nase. Der Geruch rief Erinnerungen an Seder-Abende mit Lammbraten in ihm wach und erfüllte ihn mit Heimweh. Er nahm ein Messer und begann zu schneiden.
    »Meine Frau Hannah zieht Rosmarin in einem Blumentopf auf der Fensterbank«, sagte er.
    Schwester Assunta sah zu, wie Isaak mit dem Messer hantierte und verschieden große Stücke Rosmarin vor sich sammelte. »Nicht so, sondern kleiner. So.« Sie nahm sein Messer und zerschnitt die Zweige in gleichmäßig kleine Teile.
    Warum waren seine Hände, die sich beim Schreiben, beim Blättern in einem Buch und beim Liebkosen seiner Frau so geschickt anstellten, so ungeschickt, wenn es um Dinge ging, die jeder Einfaltspinsel zu bewerkstelligen vermochte? Selbst der Hahn, der aus dem Garten hereingekommen war, schien sich über seine Unfähigkeit lustig zu machen. Die Luft roch nach Hefe und dem aufgehenden Teig, bald schon würde er im Ofen über dem Herd gebacken werden. Isaak lief das Wasser im Mund

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