Die Hebamme von Venedig
zusammen.
»Was kannst du noch?«
»Mit Gewürzen und Holz handeln.«
»Das ist nicht leicht, wenn man beides nicht hat«, sagte sie.
Durchs Fenster sah er einen Maulbeerbaum im Garten vor dem Kloster stehen. Den Stoffbeutel mit den Seidenspinner-Eiern hatte er immer noch sicher in seiner Hose versteckt. Bald schon würden die Raupen daraus schlüpfen und fressen wollen.
»Es gibt da etwas, das ich … mit Eurer Hilfe tun könnte. Ich habe einige Seidenspinner-Eier. Ich weiß zwar kaum etwas über die Raupen, aber Seide erzielt hohe Preise. Vielleicht können wir zusammen einen Weg finden, wie wir sie zum Gedeihen bringen. Die Insel könnte eine andere Einnahmequelle brauchen, als nur mit Juden zu handeln.«
»Isaak«, sagte Schwester Assunta und sah lange genug von ihrer Arbeit auf, um seinen Blick aufzufangen. »Malta ist eine militärische Festung. Ritter und Soldaten tragen keine Seide, und du wirst hier auch keine feinen Damen finden, die in seidenen Ballkleidern dahinschweben. Wir sind eine Insel mit einfachen Menschen. Du hättest dir Rinderfelle und Schafwolle in die Taschen stecken sollen und keine Seidenspinner-Eier.« Sie ging in eine Ecke und griff nach einem Schaffell, an dem noch die Fettklumpen hingen. »So was wird hier gebraucht.« Sie hielt es in seine Richtung, und er roch das ranzige Lanolin, das auf ihren Fingern glänzte. »Seide ist höchstens etwas für den Großmeister, der die Insel regiert. Der Rest von uns braucht Wolle.«
»Ich kann lesen und schreiben«, sagte Isaak.
Er wollte das noch weiter ausführen, aber sie klopfte ihm auf die Hand und ließ etwas Mehl darauf zurück. »Wunderbar. Ich gebe dir einen Federkiel und ein Stück Pergament, und du schreibst mir ein Kein Durchgang -Schild für meine Küchentür, damit die Hühner nicht mehr hereinkommen. Bis dahin …«, sie wedelte mit ihrer Schürze, »jage ich sie selbst hinaus.«
Der Hahn trippelte an Isaak vorbei.
»Ich will dir den wahren Grund sagen, warum ich dich gekauft habe«, sagte sie. »Meine Familie stammt ursprünglich aus Toledo in Kastilien, aus der Mancha. Es waren Ungläubige wie du, die dann aber, das war vor etwa achtzig Jahren, zum Christentum konvertiert sind. Wobei sie keine Wahl hatten – König Ferdinand und Königin Isabella haben alle Juden dazu gezwungen.«
Isaaks Mut sank. Wenn sie aus einer Familie von Conversos, Konvertierten, stammte, würde es ihr noch wichtiger als den Christen allgemein sein, ihre Frömmigkeit zu demonstrieren. »Das Alhambra-Edikt«, sagte Isaak. »Konvertiert oder verlasst das Land! Aber nicht alle Juden haben ihrem Glauben abgeschworen, viele sind nach Venedig geflohen. Das venezianische Ghetto ist voller spanischer Juden, den Sephardim. Andere sind bis nach Konstantinopel gelangt.«
Schwester Assunta fuhr fort, als hätte sie ihn nicht gehört. »Nichts über das Wesen des Christentums zu wissen ist verzeihbar, aber nur, wenn sich niemand die Mühe gemacht hat, es dir nahezubringen.« Sie nahm einen Apfel aus der Schale auf dem Tisch, schnitt ein Stück davon ab, stach mit dem Messer hinein und reichte es ihm. »Iss, der Apfel stammt aus unserem Obstgarten.«
Er biss kräftig auf die rote Schale. Der Saft füllte seinen Mund mit einer Süße, die ihm den Atem nahm. Wenn sie nur aufhören wollte zu reden, könnte er den Apfel richtig genießen.
Schwester Assunta aß den Rest des Apfels. »Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, mit den wenigen Münzen, die mir in die Hände fallen, jüdische Sklaven zu kaufen und sie von ihrem ketzerischen Glauben zu befreien. Die frommsten meiner Nonnen, zum Beispiel Schwester Caterina, sind fast alle Neuchristen, und ich werde auch dir diesen Dienst erweisen.« Schwester Assunta rieb einen weiteren Apfel am Rock ihrer Ordenstracht ab. »Also«, sagte sie und versenkte ihre kräftigen weißen Zähne in seinem roten Rund, »sprechen wir über die Errettung deiner unsterblichen Seele und wie wir dich am besten dem wahren Glauben zuführen.«
Er sollte konvertieren? Für die Christen würde er dann nicht mehr als ein Marrane sein, ein Schwein, das im Dreck nach Essensresten sucht, und sein eigenes Volk würde ihn als Verräter und Feigling betrachten. Die Malteser hatten ihm alles genommen, seine Ehre als freier Mann und seinen Besitz. Jude zu sein und die Hoffnung, Hannah eines Tages wiederzusehen, war alles, was ihm geblieben war.
Der Hahn, der in der Ecke der Küche auf dem Boden herumpickte, krähte und rannte hinaus ins Freie. Isaak
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