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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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    Zeit, Matteo zu säubern, blieb nicht. Sie nahm ihn hoch, wickelte ihn gut ein und versteckte sein mit Cremebeulen bedecktes Gesicht unter einem Tuch. Dann nahm sie die Flasche Ziegenmilch vom Tisch, ihre Tasche mit den Dukaten und den Geburtslöffeln und lief die Hintertreppe zum Kanal hinunter, so schnell, wie es ihre Satinschuhe erlaubten.
    Sie rief einen vorbeifahrenden Gondoliere herbei und stieg ein. Der Mann sah sie verwirrt an, was sie erst als Hinweis darauf verstand, dass er ihre Verkleidung durchschaute, doch dann begriff sie, dass er sich einfach nur über den jungen Pagen mit dem Bündel wunderte, das offenbar ein Baby war.
    Während die Gondel sanft über den mit Müll übersäten Rio della Sensa glitt, zog Hannah die Vorhänge der Felze um sich herum zu. Ihre Bewegung weckte Matteo auf, der so behaglich in ihren Armen lag wie ein Baby im Leib seiner Mutter. Erst hatte sie ihn und jetzt hatte er sie gerettet. Ohne ihn wäre sie gelähmt vor Trauer bei Jessica sitzen geblieben, bis die Soldaten sie geholt hätten. Es war sicher nicht der richtige Zeitpunkt für derlei Gedanken, aber sie hoffte, dass Jessica wenigstens einmal so ein Vergnügen und eine solche Lust im Bett verspürt hatte, wie es ihr mit Isaak vergönnt war. Hannah hatte sie danach fragen wollen, aber es nicht über sich gebracht – und jetzt war es zu spät.
    Sie fuhr mit der Hand unter Matteos Decke, strich ihm über die Wange und murmelte: »Du bist ein hübscher Junge, Matteo. Wirst du dich noch an mich erinnern, wenn du zu einem stattlichen jungen Mann herangewachsen bist, der all die Vorteile und Privilegien genießt, die seine Eltern ihm bieten können?« Zur Antwort schnappte er nach ihrem Finger, umschloss ihn mit den Lippen und biss mit seinem zahnlosen rosa Zahnfleisch darauf. »Nein, natürlich wirst du das nicht.« Sie fing an, leise ein altes hebräisches Schlaflied zu summen, hielt aber nach ein paar Zeilen inne, weil ihr die Stimme versagte. Es war das Schlaflied, das sie auch der kleinen Jessica einst gesungen hatte.
    Die Gondel geriet durch einen schwer beladenen Lastkahn ins Schaukeln und Ziegenmilch schwappte auf Hannahs Satinschuhe, aber sie machte sich nicht die Mühe, sie zu trocknen.
    Die Gondel legte zwischen den vertrauten grüngoldenen Pollern des Anlegers der di Padovanis am Canal Grande an. Matteo quengelte, als der Gondoliere ihn mit dem einen Arm hielt und Hannah mit dem anderen auf den Anleger half. Er reichte ihr Baby und Tasche und musterte dabei die bestickte Jacke und das tief in die Stirn gezogene Barett.
    »Grazie, signore« , sagte sie, »warte er nicht auf mich. Ich finde allein nach Hause.«
    Sie gab ihm einen Golddukaten und hoffte, dass das ausreichte, um sein Schweigen zu erkaufen, und die Prosecuti nichts von dem schlanken Pagen erfuhren, der sich ein Christenbaby an die Brust gedrückt hatte.
    » Prego «, sagte er. Ein paar Schritte entfernt rüffelte ein junger Eber durch einen Müllhaufen. Bevor der Gondoliere ablegte, hob er sein Ruder aus der Fórcola und stieß das Schwein damit weg. Flink brachte er das Ruder wieder in Position, rief noch einmal » Buona fortuna! « und legte ab.
    Einen Moment lang blieb Hannah vor dem Palazzo stehen. Wenn der Conte und die Contessa noch nicht zurück waren, hatte sie keine Ahnung, was sie mit Matteo machen sollte.
    Als die Gondel außer Sicht war, drehte sie sich um, Matteo auf dem linken Arm, ihre Tasche über der rechten Schulter. »Warte, bis deine Mama dich sieht«, sagte sie. »Wie die sich freuen wird.« Als Matteo gurgelte und gurrte, fiel eine Träne von Hannahs Wange und traf in die dicken Falten um seinen Hals. Seine aufgemalten Beulen und sein schrecklicher Geruch konnten sie nicht davon abhalten, das Gesicht in seine Wolldecke zu drücken. »Wie soll ich dem Conte dein Aussehen erklären?« Wenn sie doch nur die Zeit gehabt hätte, ihn zu säubern.
    Die Sonne stand hoch am Himmel, ihre Strahlen wurden von den Fenstern des Palazzos zurückgeworfen. Unten im Lager und im Büro schien niemand zu sein, alles war dunkel, die Fondachi lagen verlassen und verschlossen da. Nirgends gab es ein Zeichen von Leben – kein Schwatzen, kein Hausmädchen, das eine Decke ausschlug, keinen Essensgeruch, der ins Freie herauswehte. Nicht ein einziges der Fenster war geöffnet.
    Hannah zögerte. Ein schwarzes Gebinde hing an der Tür. Sie griff nach der Glockenschnur und zog daran, bevor sie über seine Bedeutung nachdenken konnte. Augenblicke später

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