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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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was?«
    Isaak wollte ihr zustimmen, aber sie fuhr bereits fort.
    »Gott hat im Traum zu mir gesprochen. Er will, dass ich aus dem Kloster eine Produktionsstätte für Seidenfaden mache. Der Ablauf selbst ist einfach, man braucht dazu nur viele Hände, und die habe ich durch Gottes Hilfe.«
    Isaak sah zum Hahn hinüber, der in der Ecke Reste aufpickte. Eine Frau, besonders eine so stattliche wie Schwester Assunta, zu sehen, die vor Aufregung zitterte, machte ihn verlegen. Ihm hatte die frühere, unverträgliche Assunta besser gefallen als ihr neues, ernsthafteres Ich. »Schwester, entschuldigt, Ihr habt mir sehr geholfen, aber jetzt muss ich meine Puppen nehmen und aufbrechen.«
    »Wohin? Sag mir nicht, dass sie dein Lösegeld gezahlt haben?« Sie betrachtete ihn einen Moment lang, dann trat ein wissender Blick in ihre Augen. »Oh, ich verstehe. Du willst dich auf ein Schiff schmuggeln. Aber sie werden dich über Bord kippen wie die Pisse aus ihrem Nachttopf, bevor ihr auch nur den Hafen hinter euch gebracht habt.«
    »Schwester …« Er tat so, als wollte er eine Henne von sich wegscheuchen, und füllte dabei etliche Puppen aus dem Korb in seine Tasche, die offen auf dem Boden lag.
    »Isaak, für einen Juden bist du kein schlechter Kerl. Ich mag dich, und ich werde es nicht erlauben, dass du dich in eine solche Gefahr begibst, genauso wenig wie diese Tierchen, die ich in einem Beutel um den Hals getragen habe, um sie warm zu halten.«
    »Ich muss jetzt gehen.« Isaak erhob sich, hängte sich seine Tasche über die Schulter und wandte sich Richtung Tür.
    Schwester Assunta verstellte ihm den Weg. »Wenn du dein Leben auf irgendeinem stinkenden Schiff aufs Spiel setzen willst, ist das deine Sache, aber vorher gibst du die Puppen aus deiner Tasche wieder heraus.«
    Wenn er einfach davonlief, würde sie die Soldaten alarmieren, und die würden ihn festnehmen. Die Ritter würden ihn auspeitschen, bis sein Rücken nicht mehr als ein rohes rotes Stück Fleisch war, und im Verlies unter dem Palast des Großmeisters verhungern lassen.
    »Lasst uns wie vernünftige Menschen miteinander reden«, sagte Isaak.
    »Da gibt es nichts zu bereden«, konterte Schwester Assunta.
    »Mit dem allergrößten Respekt, Schwester, da täuscht Ihr Euch. Mit Juden gibt es immer etwas zu bereden.« Am folgenden Tag würde die Provveditore in aller Frühe in See stechen, die Segel mit Wind gefüllt, und ihr wuchtiges Heck würde langsam am Horizont verschwinden. »Ihr wollt in die Seidenproduktion einsteigen? Ihr seid wie eine Närrin, die das Fell des Löwen verkauft, bevor sie ihn erlegt hat. Wer soll Eure schönen Seidenfäden denn kaufen, um Stoffe und Kleider daraus zu weben? Dazu braucht Ihr fachmännischen Rat. Und für welchen Markt? Den des ungebildeten Volkes auf dieser Insel? Die Leute hier würden Eure Seide dazu benutzen, sich die Hintern abzuwischen oder ihre Schweineställe auszumisten.«
    »Was hast du vorzuschlagen?«, fragte sie.
    »Ich habe Kontakt zu Webern in Venedig.« Das war eine Lüge, aber die Schwester zeigte ihm mit einem Kopfnicken, dass sie ihm glaubte. »Verkauft mir Eure Seide, so viel Ihr produzieren könnt, und ich verkaufe sie den Webern von Venedig, die bedruckte Stoffe und Samt daraus machen.« Das konnte sogar gut funktionieren. »Also …«, er räusperte sich, »nehme ich die Puppen, und die Raupen bleiben hier, um Euer Geschäft in Gang zu bringen.«
    »Woher soll ich wissen«, fragte Schwester Assunta, »dass du deinen Teil des Handels einhältst? Du könntest auch einfach verschwinden und dich nie wieder blicken lassen.«
    »Das gilt auch umgekehrt. Und wo würde ich dann meinen Faden kaufen?« Je länger er redete, desto klarer wurde ihm, dass das Ganze eine brillante Idee war. »Ihr könnt die Seide zu günstigeren Konditionen herstellen als jeder in Venedig, oder selbst in Bellagio. Eure Kosten sind niedrig, denn Eure Nonnen arbeiten für Gottes Liebe.«
    Schwester Assuntas breites Gesicht entspannte sich. »Bevor du gehst, umarmen wir uns, um den Handel zu besiegeln.«
    Isaak war froh, ihre Zustimmung zu haben, gleichzeitig aber zögerlich, was die Umarmung anging. Ein Mann berührte keine Frau, mit der er nicht verwandt war. Aber Schwester Assunta war keine Frau. Um das zu begreifen, musste er nur ihre großen Füße ansehen, also umarmte er sie und sagte: »Schalom, Schwester. Lebt wohl und gedeihet.«
    »Du auch. Pass auf dich auf. Ich freue mich auf eine lange und ertragreiche

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